Du magst wohl ziemlich erbost seyn, daß ich Dir nicht direct die Ankunft des kleinen Töchterleins2 angezeigt habe; allein ich dachte mir, Du würdest die Berliner Zeitungen gründlicher studiren, und behielt mir das Nähere für einen späteren Brief bevor. Jetzt, nachdem Du meine Schwiegermutter gesprochen, kann ich Dir dann nur noch melden, daß Mutter und Kind frisch und munter sind, und die „kleine Hidde“3 prächtig gedeiht. Für mich ist das dann wieder ein reicher Quell neuer Freuden, um deren Entbehrung ich den armen Gervinus recht sehr bedaure. Er schrieb neulich heiter und gefaßt darüber, aber die kleine Victorie scheint es doch recht sehr zu empfinden. Sie schrieb außerordentlich liebenswürdig an meine Frau darüber.
Ich sehe jetzt sehr behaglich in den mühevollen Winter zurück, und freue mich auf den Frühling, wenn es auch nur eben ein mecklenburgischer ist. Vorlesungen, drei Stunden täglich, Actenarbeit, Manuscriptlieferung zum Druck4 – das Alles hetzt doch zuletzt ein bischen ab. Ich war aber bald damit durch, so blickte ich doch ganz angenehm darauf zurück. Auch Du bist wohl vollauf beschäftigt, nach dem was ich aus Deinem Briefe5 entnehme; möge auch Dir bald das angenehme Gefühl der vollendeten Arbeit zu Theil werden. Eigentlich habe ich, offen gestanden, eine kleine Angst, daß Du wieder etwas verberlinern mögest, indem Du Dich selbstgenügsam auf Deinen engsten Kreis und die Beschaulichkeit zurückziehst; am besten wird Dich davor sichern eine tüchtige Beschäftigung mit der Historie. Doch sage ich das eigentlich so ebenhin, ohne Dir eines bestimmten Grund meines Argwohns nennen zu können; es thut ja aber auch nichts, wenn ich Dir Unrecht thue; es wäre doch nicht das erste Mal.
Deine Recension von Gervinus6 habe ich noch nicht zu Gesichte bekommen, aus zufälligen Gründen; doch denke ich sie ehestens zu lesen. Dann schreibe ich Dir auch darüber. – Du willst wißen, was wir mit der Regierung7 gehabt? Sie legte uns auf, im Spruchcollegium keine staatsrechtlichen Gutachten ohne ihre Erlaubniß auszustellen. Wir protestirten sehr energisch dagegen, erhielten ein sehr gnädiges Rescript, worin die Schuld auf die Bundespflicht8 der Juristen geschoben wird. Jetzt haben wir beschlossen, lieber gar keine Gutachten der Art, als unter einer solchen Beschränkung auszustellen. Im Ganzen ist die Ehre gewahrt, und damit muß man sich genügen. In Berlin haben sie dasselbe schon früher stillschweigend eingesteckt, weswegen ich noch eine kleine Scene mit Gans hatte. Er schützte die Erfolglosigkeit eines widerstrebenden Schrittes vor, was dann auch freilich die eine Seite ist. – Im Ganzen lege ich auf jenen Vorfall kein Gewicht; er ist nur ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Universitäten, wie sie jetzt täglich vorkommen. Im Allgemeinen läßt die hiesige Regierung uns gewähren, und thut selbst solche Schritte höchst ungern; aber eine Energie des Widerstandes fehlt ihr ganz.
Kannst Du denn nicht einmal über kurz oder lang abkommen, um Deine Freunde hier zu besuchen? worüber ich mich und meine Frau verstehe; denn sie ist Dir sehr gewogen, und grüßt freundlichst. Bedenke doch, daß Du ein Singleton bist, und in kurzer Zeit bequem hierher fährst.
Empfiehl mich Deiner lieben Mutter; hat Dein Bruder nicht auf die Anfrage wegen Engelmann aus Kreuznach geantwortet?