Deine Sachen stehen gut; Both ist von Schultzes Brief sehr erbaut, und hat mir das Versprechen wiederholt, für Dich zu streben. Glücklicher Weise habe ich ihm in dieser Zeit einige Dienste erweisen können, und so hoffe ich von seinem Eifer und deßen Erfolg das Beste. Allein sicher ist nichts, bis Du die Vocation hast, die frühestens Ende April erfolgen kann. Denn dann wird Both erst aus Schwerin zurück seyn. Bis dahin harre, hoffe, dulde. – Ich bleibe für Dich thätig, so weit es nöthig ist; denn im Allgemeinen ist Deine Sache im besten Fahrwaßer, und man muß sie ruhig vom Strome weiter treiben laßen.
Es wäre freilich eine recht tragische Verkettung der Umstände, wenn wir uns trotz der nahen Aussicht auf eine dauernde Vereinigung, nach der ich mich lange gesehnt habe, doch wieder verfehlen sollten. Auch mir würde es herzlich Leid thun. – Der Auftrag, den Du mir zuletzt vom GeheimenRath Schulze bestellt hast, kommt allerdings der Sache schon näher, wenn auch der Nachsatz es an kaltem Waßer nicht fehlen läßt. Indessen hatte ich mir daßelbe schon ungefähr selbst gesagt. Zuerst über meine hiesige Stellung. Ich habe an festem Gehalt 900 ThalerSilbergroschen 2/3, und dann aus dem Spruchcollegium, welches in Criminalsachen als Landesspruchbehörde fungirt, c. 200 ThalerSilbergroschen 2/3. – Meine Vorlesungen sind: Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht im weitesten Sinne, Deutsches Staatsrecht und ein so genanntes germanisches Practikum. Damit ist dann auch ein academischer Jahrescurs ausgefüllt; doch würde ich auf besonderen Wunsch mich noch zu einem | oder dem andern Collegium verstehen können, z. B. über preußisches Landrecht-Kirchenrecht liegt nicht gerade meinen Studien, aber meinen Neigungen ferner. Du weißt, im Allgemeinen stehe ich mit meinen Ansichten außerhalb der Kirchenschranken; nur der politische Theil intereßirt mich lebhaft, und diesen handle ich in der Rechtsgeschichte und im Staatsrecht ab.
Im Allgemeinen ist meine Stellung hier angenehm, und, vielleicht Heidelberg abgerechnet, würde ich sie nur gegen eine andere in Preußen umtauschen; doch mit Auswahl. Berlin ist mein bestimmter Wunsch; auch Bonn würde mich wohl anziehen, eine andere Universität schwerlich. Auch bedarf Berlin offenbar am Meisten eines Germanisten2, da Homeyer, wie er mir selbst gesagt hat, das Deutsche Recht nicht allein vertreten kann. Sollten aber nicht bestimmte Wünsche rücksichtlich Albrechts Berufung oder Göschens Beförderung mir im Wege stehen? Du mußt jedenfalls, natürlich caute, auf Berlin für mich hinhalten. – Doch eilt ja die Sache nicht, wie Du richtig bemerkst. Nur ein Umstand könnte hinderlich werden, wenn nämlich eine, wahrscheinlich nicht mehr ferne, Vacanz im hiesigen Oberappellationsgerichte eintrete.
Die einflußreichsten Mitglieder deßelben machen es kein Hehl, daß sie daran mich hineinzuziehen suchen würden, wodurch meine Stellung allerdings wesentlich verändert würde. Allein theils ist die Vacanz noch nicht da, theils fragt es sich, ob die Regierung3 mich wählte, und endlich bin ich bei weitem mehr entschloßen, eine solche Stelle abzulehnen, als anzunehmen. Denn bei vielen äußern Vorzügen einer solchen Stellung würde sie mich doch nicht befriedigen; ich würde mir4 wie vergraben vorkommen, glaube ich.
Indeßen, wohl schreibe ich viel! Vielleicht wird ehestens etwas geschehen, | was mich vorläufig von Preußen fern hält. In Folge eines Vermächtnißes (Du denkst dabei natürlich nicht an Geld) gebe ich eine sehr bedeutende, aber auch sehr kecke politisch-historische Schrift eines verstorbenen Freundes5 heraus, die wohl gerade in jetziger Zeit in Preußen ungelegen seyn wird.6 Ich habe freilich eine sehr umsichtige, objectiv gehaltene Vorrede dazu geschrieben, die mich, glaube ich, nach allen Seiten rechtfertigt; aber ob doch nicht ein Stachel zurück bleiben wird? Vielleicht aber giebt eben dieses Werk den Ausschlag für mich, – wer kanns wißen? – Du wirst sie in einigen Tagen erhalten, – bis dahin schweige davon durchaus. –
Schultzes Bemühungen kannst Du bis dahin, daß sie erschienen ist, vielleicht etwas retardiren, wenn es ohne Auffälligkeit geschehen kann; oder laß der Sache ihren Lauf, – wie Du meinst, denn in solchen Fällen kann man gar nicht berechnen.
Die preußischen politischen Bewegungen intereßiren mich sehr, und ich folge ihnen mit lebhafter Theilnahme. Fahre fort, mir über Staat und Stadt und Personen das Wichtigere mitzutheilen. Hoffentlich erhalte ich noch vor meiner Abreise nach Holstein einen Brief von Dir; später wird er mich unter der Addreße des LandsyndicusJahn in Kiel treffen.
Empfiehl Emilie und mich Deiner lieben Mutter, und allen unsere herzlichsten Grüße. Dem GeheimenRath Schultze laße ich mich natürlich aufs Verbindlichste empfehlen.
Stets Dein getreuer
GBeseler.
1Ort und Datum am Briefende, linksbündig. 2Vertreter der Historischen Rechtsschule, die das Recht in seiner historischen Bedingtheit betrachtete und sich damals aufteilte in die sogenannten „Germanisten“ und „Romanisten“. Während letztere die Rechtstradition auf das römische Recht zurückführten, sahen erstere es in germanischer Tradition. 3Die großherzogliche Regierung Mecklenburg-Schwerins. 4Verbessert von „mich“. 5Uwe Jens Lornsen (1793-1838). 6Georg Beseler (1809-1888) gab 1841 das Werk Lornsens über „Die Unions-Verfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins. Eine geschichtlich staatsrechtliche und politische Erörterung“, Jena 1841, heraus.
Beseler, Georg Karl ChristophGeorg Beseler11851019318091888Beseler, Georg (1809–1888), Jurist und preußischer Politiker, war in der Heidelberger Studienzeit neben Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) einer der beiden engsten Freunde Karl Hegels (1813–1901). Er wurde ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an den Universitäten Rostock, Greifswald und Berlin.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Privatbesitz
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Privatbesitz1000
Both, Carl FriedrichUniversitätsvizekanzler Carl Friedrich Both11626738017891875Both, Carl Friedrich (1789–1875), in der mecklenburgischen Hansestadt Demmin geborener Jurist und Historiker, der nach seinem Geschichts- und Literaturstudium an der Universität Heidelberg und seinem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock in den Justiz- und Verwaltungsdienst des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin ging. Von 1820 bis 1848 war er Regierungsbevollmächtigter für die Universität Rostock, von 1836 bis 1870 ihr Vizekanzler.
Schulze, JohannesJohannes Schulze11886028317861869Schulze, Johannes (1786–1869), in Mecklenburg geborener evangelischer Theologe, Philologe, Gymnasiallehrer und Bildungspolitiker, ab 1818 Beamter – zuletzt Wirklicher Geheimer Oberregierungs- und Vortragender Rat – im preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten mit Zuständigkeiten für das höhere Schulwesen, die Universitäten, Akademien, Bibliotheken und öffentlichen Sammlungen.
Homeyer, Carl GustavCarl Gustav Homeyer13035651417951874Homeyer, Carl Gustav (1795–1874), Rechtswissenschaftler, ab 1824 außerordentlicher, 1827 ordentlicher Professor an der Berliner Universität.
Albrecht, Wilhelm EduardEduard Wilhelm Albrecht11864439418001876Albrecht, Wilhelm Eduard (1800–1876), in Elbing geborener Rechtswissenschaftler und Politiker, der 1837 zu den „Göttinger Sieben“ gehörte. Nach seinem Studium an den Universitäten Berlin, Göttingen und Königsberg wurde er am Pregel 1825 außerordentlicher und 1829 ordentlicher Professor, bevor er 1830 als Ordinarius an die Universität Göttingen wechselte. Nach seiner dortigen Entlassung Ende 1837 wurde er im Folgejahr Privatdozent, 1840 Professor an der Universität Leipzig und war 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Göschen, OttoOtto Göschen11673197418081865Göschen, Otto (1808–1865), Sohn des Göttinger Juristen Johann Friedrich Ludwig Göschen (1778–1837), wurde nach seinem Studium an der Universität Göttingen, dortiger Promotion 1832 und Habilitation 1833 an der Universität Berlin im Jahre 1839 außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaft. 1844 wechselte er als ordentlicher Professor an die Universität Halle; er war verheiratet mit Anna Eichhorn, einer Tochter des preußischen Kultusministers Johann Albrecht Friedrich Eichhorn (1779–1856).
Lornsen, Uwe JensUwe Jens Lornsen11903467017931838Lornsen, Uwe Jens (1793–1838), stammte aus Sylt, war Jurist und Beamter der dänischen Regierung; er wurde zum Vorkämpfer für ein vereintes, unabhängiges Schleswig-Holstein vornehmlich durch seine 1830 in Kiel erschienene Publikation „Ueber das Verfassungswerk in Schleswigholstein“; nach seiner Amtsenthebung und einer Festungshaft wurde er Seefahrer und ging für eine gewissen Zeit nach Rio de Janeiro. Er starb 1838 in der Nähe des Genfersees.
Jahn, Jakob Jakob Jahnhttps://www.deutsche-biographie.de/search?beruf=Syndikus%20des%20Klosters%20Preetz&st=erw13699109217701844Jahn, Jakob (1770–1844), war Advokat und Landsyndikus in Kiel, Vater des klassischen Philologen, Archäologen und Musikforschers Otto Jahn (1813–1869).
Elvers, Christian FriedrichChristian Friedrich Elvers10012103917971858Elvers, Christian Friedrich (1797–1858), in Flensburg geborener Jurist, der von 1815 bis 1818 an der Universität Göttingen Rechtswissenschaft studierte, dort promoviert wurde, sich im Jahre 1819 habilitierte, von 1823 bis 1828 außerordentlicher Professor und anschließend Ordinarius an der Universität Rostock war. 1841 ging er als Oberappellationsgerichtsrat an das Oberappellationsgericht Kassel.
Hävernick, Heinrich Andreas ChristophHeinrich Andreas Christoph Hävernickhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz98759.html#indexcontent11923928018111845Hävernick, Heinrich Andreas Christoph (1811–1845), war evangelischer Theologe im Kontext der Erweckungsbewegung.
Tucher, Maria Helena Susanna, verh. HegelMaria Helena Susanna Tucher, verh. HegelMutter Karl Hegels11657082217911855Tucher, Maria Helena Susanna (1791–1855), Ehefrau des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831), Mutter Karl Hegels (1813–1901), Schwester Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871), des Vaters Susanna Maria Hegels (1812–1878), Onkels und Schwiegervaters Karl Hegels, Gründer der Tucher-Brauerei in Nürnberg. Siehe auch: Hegel, Maria Helena Susanna.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Preußen, Prusse Königreich Preußen (französisch: Prusse), auch Ostpreußen als östlichste Provinz des Königreichs.
BonnAuf eine römische Gründung zurückgehende alte kurfürstliche Residenzstadt am Rhein mit menschlichen Besiedlungsspuren, die ca. 14.000 Jahre zurückreichen, nach französischer Herrschaft ab 1815 eine Stadt des Königreiches Preußen, etwa 30 Kilometer nördöstllich von Köln gelegen.
HolsteinZwischen Nord- und Ostsee sowie Elbe im Süden und Eider im Norden gelegenes Land mit wechselnder Zugehörigkeit zum Königreich Dänemark und zum Heiligen Römischen Reich bzw. Deutschen Bund.
Kiel54.3227085,10.135555Im 13. Jahrhundert gegründete Hansestadt an der Ostsee, etwa 90 Kilometer nördlich von Hamburg gelegen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts dänisch war und 1815 mit dem Herzogtum Holstein zum Deutschen Bund kam. Durch die Eisenbahnlinie zwischen Kiel und Altona wurde 1844 der Ostseehafen über die Elbe mit der Nordsee verbunden.
Kassel51.3154546,9.4924096Ehemalige Haupt- und Residenzstadt der Landgrafen von Hessen an der Fulda und etwa 200 Kilometer nordöstlich von Frankfurt am Main gelegen, circa 50 Kilometer südwestlich von Göttingen entfernt, seit 1866 preußisch.
Königsberg54.70464845,20.456566646621738Residenzstadt des Herzogtums, dann Königreichs Preußen, am Pregel gelegen, seit 1824 Sitz der Oberpräsidenten der Provinz Preußen.
Seiner/Se./Sr./S. / Hochwohlgeboren / WohlgeborenAnrede (in dritter Person) für ein Mitglied des niedrigen Adelsstandes („Hochwohlgeboren“) sowie im 19. Jahrhundert auch zunehmend Anrede für Honoratioren aus dem Bürgertum („Wohlgeboren“).
Doctor, DoktorDoktor als höchster akademischer Grad und Bezeichnung für jemanden, der einen Doktor-Titel trägt.
Am Kupfergraben (Berlin)Uferstraße entlang des Kupfergrabens als eines Teilabschnitts des Spree-Kanals. Im – nach damaliger Zählung – Gebäude Nr. 4a wohnte der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) mit seiner Familie, danach für einige Zeit auch noch seine Witwe.
VocationBerufung
Geheimer Rat(h), Geheimer Rath, Geheimerrath, Geheimrat(h); auch: Geheimer OberrathVornehmlich auf die Zeit des Absolutismus zurückgehender Titel als Bezeichnung für ein Mitglied des Hof- oder Staatsrat als Beratungs- und Regierungsorgan eines Herrschers, welcher im 19. Jahrhundert zumeist als Ehrentitel in monarchischen Staaten gebraucht wurde.
SilbergroschenIn Preußen von 1821 bis 1873 geprägte Münze zu 12 Pfennigen; 30 Silbergroschen ergaben einen Taler.
Spruchkollegium (Spruchcollegium)Für ein Rechtsurteil zuständiges Kollegium.
caute Aus dem Lateinischen von „cautus“, hier als Adverb gebraucht für „vorsichtig“.
OberappellationsgerichtOberste gerichtliche Instanz eines Mitgliedstaates bzw. einer Gruppe von Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes gemäß der Deutschen Bundesakte von 1815.
Regierung, RegirungHöchste Institution eines Staates, die die Politik sowohl nach Innen wie nach Außen leitet, lenkt und beaufsichtigt, wobei Regierung allgemein für die Tätigkeit des Herrschens, die Ausübung der Staatsgewalt steht.
Lornsen's WerkVon Georg Beseler herausgegebenes Werk des Politikers und Seefahreres Uwe (Jens) Lornsen (1793-1838) über: „Die Unions-Verfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins; eine geschichtlich staatsrechtliche und politische Erörterung, Jena 1841“.
Addreße, Adresse, AdreßeHier gebraucht im Sinne einer politischen Meinungsäußerung bzw. Willenskundgebung, die von einzelnen Personen oder Gruppen an ein Staatsoberhaupt oder die jeweilige Regierung gerichtet ist, zumeist in schriftlicher Form; auch gebraucht im Sinne von: „Glückwunschadresse“ als besonderes, zumeist gedrucktes aufwändiges Glückwunschschreiben mehrerer Personen an eine bestimmte Person oder Institution; auch: Postadresse, Anschrift.
LandsyndicusZumeist Jurist, der als führender Vertreter der Stände in Landesherrschaften tätig war.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis