XML PDF

Georg Beseler an Karl Hegel, Rostock, 12. März 1841

Lieber Hegel!

Deine Sachen stehen gut; Both ist von Schultzes Brief sehr erbaut, und hat mir das Versprechen wiederholt, für Dich zu streben. Glücklicher Weise habe ich ihm in dieser Zeit einige Dienste erweisen können, und so hoffe ich von seinem Eifer und deßen Erfolg das Beste. Allein sicher ist nichts, bis Du die Vocation hast, die frühestens Ende April erfolgen kann. Denn dann wird Both erst aus Schwerin zurück seyn. Bis dahin harre, hoffe, dulde. – Ich bleibe für Dich thätig, so weit es nöthig ist; denn im Allgemeinen ist Deine Sache im besten Fahrwaßer, und man muß sie ruhig vom Strome weiter treiben laßen.

Es wäre freilich eine recht tragische Verkettung der Umstände, wenn wir uns trotz der nahen Aussicht auf eine dauernde Vereinigung, nach der ich mich lange gesehnt habe, doch wieder verfehlen sollten. Auch mir würde es herzlich Leid thun. – Der Auftrag, den Du mir zuletzt vom GeheimenRath Schulze bestellt hast, kommt allerdings der Sache schon näher, wenn auch der Nachsatz es an kaltem Waßer nicht fehlen läßt. Indessen hatte ich mir daßelbe schon ungefähr selbst gesagt. Zuerst über meine hiesige Stellung. Ich habe an festem Gehalt 900 Thaler Silbergroschen 2/3, und dann aus dem Spruchcollegium, welches in Criminalsachen als Landesspruchbehörde fungirt, c. 200 Thaler Silbergroschen 2/3. – Meine Vorlesungen sind: Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht im weitesten Sinne, Deutsches Staatsrecht und ein so genanntes germanisches Practikum. Damit ist dann auch ein academischer Jahrescurs ausgefüllt; doch würde ich auf besonderen Wunsch mich noch zu einem oder dem andern Collegium verstehen können, z. B. über preußisches Landrecht-Kirchenrecht liegt nicht gerade meinen Studien, aber meinen Neigungen ferner. Du weißt, im Allgemeinen stehe ich mit meinen Ansichten außerhalb der Kirchenschranken; nur der politische Theil intereßirt mich lebhaft, und diesen handle ich in der Rechtsgeschichte und im Staatsrecht ab.

Im Allgemeinen ist meine Stellung hier angenehm, und, vielleicht Heidelberg abgerechnet, würde ich sie nur gegen eine andere in Preußen umtauschen; doch mit Auswahl. Berlin ist mein bestimmter Wunsch; auch Bonn würde mich wohl anziehen, eine andere Universität schwerlich. Auch bedarf Berlin offenbar am Meisten eines Germanisten2, da Homeyer, wie er mir selbst gesagt hat, das Deutsche Recht nicht allein vertreten kann. Sollten aber nicht bestimmte Wünsche rücksichtlich Albrechts Berufung oder Göschens Beförderung mir im Wege stehen? Du mußt jedenfalls, natürlich caute, auf Berlin für mich hinhalten. – Doch eilt ja die Sache nicht, wie Du richtig bemerkst. Nur ein Umstand könnte hinderlich werden, wenn nämlich eine, wahrscheinlich nicht mehr ferne, Vacanz im hiesigen Oberappellationsgerichte eintrete.

Die einflußreichsten Mitglieder deßelben machen es kein Hehl, daß sie daran mich hineinzuziehen suchen würden, wodurch meine Stellung allerdings wesentlich verändert würde. Allein theils ist die Vacanz noch nicht da, theils fragt es sich, ob die Regierung3 mich wählte, und endlich bin ich bei weitem mehr entschloßen, eine solche Stelle abzulehnen, als anzunehmen. Denn bei vielen äußern Vorzügen einer solchen Stellung würde sie mich doch nicht befriedigen; ich würde mir4 wie vergraben vorkommen, glaube ich.

Indeßen, wohl schreibe ich viel! Vielleicht wird ehestens etwas geschehen, was mich vorläufig von Preußen fern hält. In Folge eines Vermächtnißes (Du denkst dabei natürlich nicht an Geld) gebe ich eine sehr bedeutende, aber auch sehr kecke politisch-historische Schrift eines verstorbenen Freundes5 heraus, die wohl gerade in jetziger Zeit in Preußen ungelegen seyn wird.6 Ich habe freilich eine sehr umsichtige, objectiv gehaltene Vorrede dazu geschrieben, die mich, glaube ich, nach allen Seiten rechtfertigt; aber ob doch nicht ein Stachel zurück bleiben wird? Vielleicht aber giebt eben dieses Werk den Ausschlag für mich, – wer kanns wißen? – Du wirst sie in einigen Tagen erhalten, – bis dahin schweige davon durchaus. –

Schultzes Bemühungen kannst Du bis dahin, daß sie erschienen ist, vielleicht etwas retardiren, wenn es ohne Auffälligkeit geschehen kann; oder laß der Sache ihren Lauf, – wie Du meinst, denn in solchen Fällen kann man gar nicht berechnen.

Die preußischen politischen Bewegungen intereßiren mich sehr, und ich folge ihnen mit lebhafter Theilnahme. Fahre fort, mir über Staat und Stadt und Personen das Wichtigere mitzutheilen. Hoffentlich erhalte ich noch vor meiner Abreise nach Holstein einen Brief von Dir; später wird er mich unter der Addreße des Landsyndicus Jahn in Kiel treffen.

Ich verliere jetzt zwei liebe Collegen: Elvers geht ins Oberappellationsgericht nach Kaßel, und Hävernick nach Königsberg. Um so mehr sehne ich mich nach Deiner Herkunft.

Empfiehl Emilie und mich Deiner lieben Mutter, und allen unsere herzlichsten Grüße. Dem GeheimenRath Schultze laße ich mich natürlich aufs Verbindlichste empfehlen.

Stets Dein getreuer
GBeseler.