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Georg Beseler an Karl Hegel, Rostock, 14. Januar 1840

Zum neuen Jahr Glück und Heil!
Auf alte Wunden frische Salbe!
Auf groben Klotz ein grober Keil!
Auf einen Schelmen anderthalbe!2


Laß mich Dich mit diesem Götheschen Kernspruch im neuen Jahr begrüßen, liebster Freund; die zarteren Wünsche sind damit ja nicht ausgeschloßen. Namentlich wünsche ich Dir alle Freude im Beruf3, und ein wirksames Streben; kommt dann noch die gewöhnliche Ausrüstung eines glücklichen Lebens hinzu, so wird es Dir ja wohl so ergehen, wie man es in unserem Breitengrade nur verlangen kann. – Ich habe das Neujahr ruhig und heiter begangen, und Alles hat das Ansehen, als wenn es auch ferner so verlaufen will. Meine liebste Emilie4 ist wohl und frisch, und sieht, wenn auch nicht ohne Bangen, doch mit fester, weiblicher Ergebung der schweren Stunde entgegen. Schlägt mir auch dieses zur Freude aus, so weiß ich im engen Kreise meiner Familie kaum etwas zu wünschen. Ich habe in der Ehe ein beneidenswerthes Loos gezogen. Gott erhalte mir diesen Segen.

Auch sonst geht es mir gut. Meine Wirksamkeit an der Universität vermehrt sich; im Spruchcollegium arbeite ich fleißig und mit Intereße, und bin auch hier zufrieden, daß man mich im Kampfe gegen unnütze Anforderungen der Regierung, Du wirst davon gelesen haben, tapfer unterstützt. An den Erbverträgen5 wird gedruckt, und Ostern6 werden Sie fertig seyn. Ich laße mir übrigens Zeit bey der Ausarbeitung, da ich etwas recht Vorzügliches leisten möchte, etwa Abgerundetes und Ganzes, um für weitere Bestrebungen eine feste Basis zu gewinnen. Auch müßen sie mich mit der Zeit von hier wieder fortziehen; denn alt möchte ich in diesem hyperboreischen Lande, in diesem Winkel doch nicht werden.

Gervinus schreibt heiter und froh. Du wirst von seinen neuen Auskünften und Plänen wissen; der Gedanke gefällt mir sehr. Daß er nur bei Vollendung seiner Literärgeschichte7 die ganze Kraft beisammen hält, und sich nicht von Ungeduld übereilen läßt. Es ist doch ewig Schade, daß sein Buch formal so wenig durchgearbeitet ist. Er sieht den Grund des Mangels, Übereilung bei der Ausarbeitung zum Druck, wohl ein; hoffentlich wird eine zweite Ausgabe ihn in der Stimmung finden, daß er das Ganze mehr als Kunstwerk durchbildet. Bis jetzt kann ich es dafür nicht halten, obgleich ich gestehen muß, daß ich das Maaß, welches ich an ihn anlege, nur von ihm gelernt habe. –

Sind denn Deine Recensionen8 noch nicht gedruckt? ich habe sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Auf die von der Historik9 bin ich sehr gespannt, und freue mich über die angegebenen Tendenz derselben. – Wann kommst Du denn zu den Florentinischen Sachen10? Laß sie nur nicht liegen, und faße sie an, sobald Du Deine Pietätspflichten gegen Deinen Vater11 erfüllt hast. – Über die Rechtsphilosophie12 schreibe ich Dir später, wenn ich sie noch einmal durch- genommen, und mir angeeignet habe. Dann kann ich Dir auch sagen, welche Stellung ich dazu einnehme; für jetzt nur so viel, daß sie mich ungemein gefördert hat, und daß auch diese Entwicklungsperiode, welche durch sie in mir herbeigeführt worden, mir nothwendig war.

Wie stehen denn die Sachen in Berlin? Namentlich auch mit den Jahrbüchern13? Schreibe mir den factischen Gehalt der Krise, und was dabei herausgekommen. – Ist Gans Nachfolger14 schon bestimmt? Doch nicht in der Person des vortrefflichen Maurenbrechers, der bei vielem Talent meo vote der charakterloseste und oberflächlichste unter den deutschen Juristen ist, was viel sagen will. Ich werde mir wohl einmal die Freiheit nehmen, ein Todtengericht über ihn zu halten. Vorläufig muß ich nur mein Buch fertig machen.

Meine Schwiegermutter muß Mitte nächster Woche zu uns, um ihre Tochter zu pflegen. Der kannst Du Grüße und Bestellungen mitgeben. Empfiehl mich Deiner Mutter; Emilie dankt für Deinen Gruß und erwidert ihn. Laß bald von Dir hören.

Dein
GBeseler