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Karl Hegel an Sigmund Hegel, Erlangen, 30. März 1899

 Lieber Sigmund!

Zu meinem großen Bedauern muß ich nun doch für Berlin absagen und auf die Reise verzichten. Mit meiner Heiserkeit geht es noch nicht besser und der Arzt empfiehlt mir viele Schonung; ich inhaliere und gurgele mit Emserwasser und gehe wenig aus, in der vergangenen Woche blieb ich ganz zu Haus. Auch Marie kann noch wenig leisten1; es wäre nicht daran zu denken, daß sie mich begleiten könnte. So muß ich verzichten und habe bereits an Dümmler abgeschrieben.2

Hoffentlich sehen wir uns dennoch im Sommer, wenn auch nicht in Berlin, bei uns hier oder an einem andern Ort. Georg, der mit Marie am vergangenen Palmsonntag3 bei uns war, macht bereits Pläne für ein Zusammenkommen mit Euch, da in diesem Jahr das Manöver früher als sonst vor sich gehen wird, so daß er im August Urlaub nehmen kann. Ich habe für mich noch gar nichts vor und werde wohl in der Nähe bleiben.

Mariechen Löffelholz war eine vortreffliche Pflegerin für Marie und Gesellschafterin für uns beide; sie war 6 Wochen bei uns und hat uns jetzt verlassen. Meine schöne und liebe Enkelin Luise Klein, strahlend in Jugendblüte, hat sie abgelöst und macht uns viele Freude. Sie wird, denke ich, zwei Wochen bei uns bleiben und will dann weiter noch nach München und Stuttgart.

Lommels sind in Lugano vortrefflich untergebracht. Leider war es dort noch ziemlich kalt; Eugen war ganz herunter und erholt sich langsam. Felix Klein erwarten wir hier am 7. April, so genau bestimmt er sein Reiseprogramm! Er kommt von Italien, wo er die Mathematik in Rom, Mailand, Bologna undsofort besucht hat, über Wien, Graz hierher, um mit Nöther zu conferieren. Es handelt sich, so viel ich weiß, um das große Unternehmen einer mathematischen Encyclopädie.4

Tante Clara grüße einstweilen; ich schreibe ihr noch selbst. Vor allem Deine Otti, dann Zieglers. Wie vertragt Ihr Euch mit Ottis Stiefmutter? die ein Scheusal an Charakter ist und sich vermuthlich gut auf Heuchelei versteht. Ich wäre ihr nicht gern begegnet; umso lieber aber dem herzigen Enkelchen, Eurem Elschen.
Marie grüßt herzlich.
Dein Vater.

P. S. Auch Luise Klein läßt ihre Onkel und Tante vielmals grüßen.