Erlangen 21. März 1899
Frühlingsanfang
Mein Kommen nach Berlin ist noch keineswegs sicher. Seit 14 Tagen laboriere ich an Heiserkeit, die gar nicht weichen will. Wir hatten immer trockenes und schönes Wetter, seit gestern ist es aber auch nur kalt; in der Nacht fiel wenig Schnee, heute Morgen war es -5° und jetzt heller Sonnenschein. Ich will heute einmal nicht ausgehen, vielleicht wird dann mein Hals besser. Mit Maria geht es auch nur langsam voran; sie braucht Setzbäder, und es sieht nicht so aus, als ob sie werde reisen können, mich allein aber will sie nicht reisen lassen. |
Du hast sehr recht gethan, Zieglers freundliches Anerbieten abzulehnen; ich lasse ihm herzlich danken. Im Fall ich komme, würde ich an erster Stelle an ein Hospiz am Gendarmenmarkt denken, wo Bekannte von mir gewohnt haben und sehr zufrieden waren. Die Lage wäre mir besonders angenehm. Die Schwäche des Papa Klinger scheint ja recht bedenklich, zumal sie schon so lang andauert – Frau Ziegler hat damit große Sorge, um so erfreulicher ist es, daß ihr gesundheitliches Befinden viel besser geworden ist.
Bei uns hilft zur Zeit noch Marie Löffelholz aus, ein sehr vortreffliches und liebenswürdiges Fräulein, das | sich auf vieles, besonders aber auf Krankenpflege versteht und durch gleichmäßig heitere Stimmung seine Umgebung beruhigt und erfreut. Sie wird zu Hause vermißt, wir wollen sie daher nicht länger als bis Palmsonntag hier festhalten und haben deshalb Anna gebeten, uns ihre Leute zu schicken, die ohnehin auf Reisen zu Freundinnen in Süddeutschland reisen wollten, wir erwarten sie am Freitag oder Sonnabend, am Sonntag werden die Bamberger zu Mittag kommen.
Im Gedenken an Dich habe ich mich an dem Geschenk einer Bismarck Büste beteiligt, das von einer Anzahl von Professoren den Ansbachern nachträglich zur Jubiläumsfeier gemacht wurde. Ich erhielt dafür eine schriftliche Einladung vom Senior zur Feier der Aufstellung, die am 1. März | stattfand, der ich gerne Folge leistete. Es war in dem schönen Saal des Hauses oben, wo die Büste den passenden Platz auf Marmorpostament mit Inschrift der Geber gefunden hat. Eheberg hielt die Rede und der Senior beantwortete sie.
Die Malerei von Franz von Stuck im Reichstagsgebäude ist gewiß recht abscheulich, wie anderes, das ich von diesem Secessionisten gesehen habe. Ich bin sonst kein Freund von dem Papisten Dr. Luber, aber in diesem Fall wird er wohl Recht gehabt haben, womit er in ein ganzes Wespennetz gestoßen und solches von Künstlern gegen sich aufgeregt hat.
Ich wünsche Euch ein gutes Osterfest und grüße
Frau und
Kind
Euer Vater Hegel
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Klinger, Adolf Heinrich-18251900Klinger, Adolf Heinrich (1825–1900), in Gemünden, südwestlich von Coburg gelegen, geborener evangelisch-lutherischer Theologe, der von 1844 bis 1848 an den Universitäten Erlangen und Leipzig studierte und ab 1854 Pfarrer u. a. in Ansbach und Emskirchen war. Von 1890 bis 1896 war er in Memmingerberg bei Memmingen Distriktschulinspektor. Er war der VaterOttilie Klingers (1870–1930) und Schwiegervater Sigmund Hegels (1863–1945).
Bismarck, Otto11851136X18151898Bismarck, Otto (1815–1898), in Schönhausen an der Elbe geborener preußischer und deutscher Politiker, der 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments war, von 1862 bis 1890 preußischer Ministerpräsident, zugleich von 1867 bis 1871 einziger Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reiches.
Eheberg, Karl TheodorKarl Theodor Eheberg11557057818551941Eheberg, Karl Theodor (1855–1941), bei München geborener Nationalökonom, der an der Universität München zunächst Rechtswissenschaft studierte, ab 1877 auch Nationalökonomie und Philosophie an der Universität Straßburg. Nach seiner Promotion zum Dr. rer. pol. habilitierte er sich im Jahre 1880 an der Universität Würzburg und wurde 1882 außerordentlicher Professor für Volkswirtschaft, Finanzwissenschaft und Statistik an der Universität Erlangen und war dort von 1884 bis 1926 ordentlicher Professor, im Studienjahr 1897/98 auch Prorektor. Eheberg galt als Verfechter staatlicher Sozialpolitik (entgegen der liberalen Auffassung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft), war katholischer Konfession und Ehrenbürger der Stadt Erlangen (seit 1910). 1922 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Erlanger Universität.
Stuck, Franz11861954318631928Stuck, Franz (1863–1928), in der Nähe Passaus geborener Bildener Künstler, der 1892 zu den Mitbegründern der „Münchner Sezession“ gehörte.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Gendarmenmarkt (Berlin)Großer Platz im Zentrum Berlins mit zwei Kirchenbauten aus den Jahren von 1780 bis 1785 (Französischer Dom und Deutscher Dom) und dem Königlichen Schauspielhaus Karl Friedrich Schinkels (1781-1841) aus den Jahren 1818 bis 1821.
OnoldiaIm Jahre 1798 gegründetes Corps, das als „Anspachische Gesellschaft“ zu den Studentenverbindungen an der Universität Erlangen gehörte.