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Karl Hegel an Sophie Hegel, Kohlgrub, 3. August 1894

Meine liebe Sophie!

Diese Zeilen treffen Dich in Göttingen nach, wie zu hoffen, glücklicher Überfahrt und nicht allzu schwerer Trennung von Lisbeth in Köln. Sigmund wollte gleichfalls in Göttingen am 4. oder 5. August ankommen, wie er aus Interlaken, am 30. Juli, an uns schrieb. Anna und Felix werden Euch empfangen, und es gibt eine recht erfreuliche wie seltene Zusammenkunft, dann wieder eine schmerzliche Trennung auf lange Zeit.

Wir, liebe Sophie, erwarten Dich bei uns und wünschen nicht, Dich noch lange entbehren zu müssen. Doch ich weiß, daß Dein eigenes Herz Dich zu uns zieht und Du nicht länger als nötig uns fern bleiben wirst. Ich lasse Dir daher gern die Zeit, die Du brauchst, um nicht bei denen vorüberzugehen, die Du sehen möchtest.

So glaube ich, wirst Du auch wohl noch einen Tag in München bleiben, wenngleich Luise und Eugen und die Kinder, bis auf die zwei Freiwilligen, nicht daselbst anwesend sein werden. Um der Freiwilligen willen aber wird das Haus offen bleiben, so daß Du in diesem übernachten kannst. Hierüber wirst Du Dich wohl schon mit Luise verständigt haben. Von München aus hierher wirst Du am besten den Zug um 10.40 Uhr Vormittag benutzen, bei dessen Ankunft in Murnau um 1.40 der Postomnibus nach Kohlgrub abgeht, der hier gegen 4 Uhr eintrifft. Deinen Koffer gibst Du wohl schon vorher in München auf die Eisenbahn.

Wir, ich und Marie, reisten am Mittwoch 3 Uhr früh (1. August) von Erlangen ab, kamen um 8 Uhr in München an, wo wir verabredeter Maßen mit Wegeles zusammentrafen. Luise und Eugen begrüßten uns gleichfalls trotz dem Regenwetter. In Murnau hatten wir uns einen Wagen von Kohlgrub bestellt, der uns zur Mittagszeit auf die Höhe, wo der Bayrische Hof eine weite freie Aussicht hat, brachte. Die Gäste saßen bei unserer Ankunft schon bei Tisch, unter ihnen Oberst v. Schönprunn a. D. und Frau Helena, die uns entgegen kamen. Die Lommelschen vier Kinder haben wir nachmittags unten im Dorf aufgesucht; Luise kommt erst Ende der Woche nach; heute ist Eugen nach Ragaz abgereist. Wir erfreuen uns vorläufig der Gesellschaft der Anwesenden und des schönen Wetters, das erst heute Nachmittag mit Blitz und Donner eine Änderung und starke Abkühlung erfahren hat.

Ich grüße die liebe Familie Klein und Sigmund, den kühnen Besteiger des Finsteraarhorns: hoffentlich wird ihm die Einkehr ins Patentamt nicht allzu schwer fallen! Marie fügt ihre Grüße hinzu. Komme bald und glücklich zu

Deinem alten Vater!

P. S. Minna Brockdorf ist gleichfalls gestern Nachmittag angekommen und wohnt mit uns im Bayrischen Hof. Sie benutzte den Zug nach Murnau, von dem ich schrieb.