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Karl Hegel an Sophie Hegel, Erlangen, 22. Juni 1883

Liebes Sophiechen!

Deine Briefe haben mich sehr erfreut1; ich meine hier den Geburtstagsbrief und den letzten. Mein Geburtstag2 bedeutete allerdings einen wichtigen Lebensabschnitt für mich und darum auch für Euch, meine lieben Kinder, weil er die gewöhnliche Grenze des menschlichen Lebens bezeichnet und man sich auf das bald eintretende Ende immer mehr vorbereiten muß. Mit meinem eignen Leben habe ich abgeschlossen, aber Eure Zukunft bleibt meine Sorge, die ich Gott überlassen muß.

Mit Eurem Prachtgeschenk habt Ihr mir eine unerwartete Freude gemacht. Ich sehe es manchmal mit Marie in der Abendstunde mit Vergnügen an. Es wird ein werthvolles Besitzthum in der Familie bleiben.

Mariechen hat Dir ohne Zweifel geschrieben, daß wir an dem schönen sonnigen Tage mit Georg und den drei älteren Lommelskindern eine Ausfahrt nach Heroldsberg über Neukirchen zurück gemacht haben. Die Kinder besonders haben uns dabei durch ihr Vergnügtsein bei dem vielen neuen, das ihnen begegnete, unterhalten.

Du hast Dein Mädi glücklich nach Düsseldorf gebracht und bist dort, wie zu erwarten, gut aufgenommen worden. Ich glaubte, es würde das stillere Leben daselbst Dir zu einer Art Abkühlung gereichen und Dir den Übergang zu dem noch stilleren Erlangen erleichtern. Allein es fehlt auch dort nicht, wie ich sehe, an Vergnügen, das durch den Reiz der Neuheit erhöht wird, und so wird der Abstand sicher groß sein. Sage den Eltern Klein, Eugenie und Alfred meine besten Grüße und jenen insbesondere meinen herzlichen Dank für die gütige Aufnahme, die Du bei ihnen gefunden. Du hast nun an Deine baldige Abreise zu denken, für die ich Dir keinen bestimmteren Termin setzen will. Ganz einverstanden bin ich damit, daß Du Frau Bechmann um ein Nachtquartier in Bonn ersuchst, und sollte es aus irgend einem Grund bei ihr nicht zu haben sein, so wird sie Dir leicht ein anderes, namentlich bei Stintzings, verschaffen. Letztere mußt Du auf alle Fälle besuchen, wie Du auch bei Bechmanns nicht mit einer Nacht davon kommen wirst, sondern auf einen, wenn nicht zwei Tage rechnen mußt.

Daß Du mit Deinem Gelde nicht verschwenderisch umgegangen bist, glaube ich auch Deiner Versicherung; ich weiß wohl, was solch‘ eine Reise mit allem was daran hängt, kostet. Ich schicke Dir in einigen Tagen 60 Mark, damit Du auf alle Fälle genug hast, vielleicht noch etwas zurückbringst.

Heute haben wir hier einen kühlen Regentag. Gestern aber war es schön und wir benutzten dies zu einem Besuch in Nürnberg, da donnerstags der Empfangsabend bei Grundherrs auf dem Glockenhof ist. Mariechen ging schon vormittags hinüber und aß bei ihrer Tante Marie.

Nachmittags trafen wir uns zusammen in Gibitzenhof, wo jetzt Löffelholz mit Familie wohnt. Er hat das Häuschen sehr anmuthig zum gemüthlichen Wohnen eingerichtet und beschäftigt sich mit Vorliebe mit seinen Obstbäumchen, die er pfropft und pflegt. Wir haben ihn und die ganze Familie sehr heiter und liebenswürdig gefunden. In Begleitung von beiden Luisen, Mutter und Tochter, gingen wir dann den weiten Weg nach Glockenhof, wo wir eine vornehme und durch viele Jugend belebte Gesellschaft antrafen. Es ging dabei sehr ungenirt zu und wir haben uns beide gut unterhalten, trennten uns aber schon um ½ 9, um nicht bis Mitternacht auf dem Bahnhof zu bleiben. Auch war so eben aus Schweinfurt die Nachricht von der Ankunft eines neuen Enkeleins eingetroffen, welches Tante Lina heute selbst betrachten will; sie wollte am frühen Morgen abreisen. August und Marie gingen nicht mit nach Glockenhof; auch waren sonst nur wenige Verwandte da, Stephanie mit ihren Söhnen und Frau v. Schirnding.

Wann die Taufe3 bei Lommels sein wird, ist immer noch nicht bestimmt. Heute verabschiedete sich das Ehepaar Kerrer: Du weißt wohl, daß er Director der großen Anstalt zu Klingenmünster in der Pfalz geworden ist?

Lebe wohl, mein liebes Kind, möge es Dir wohlgehen in Düsseldorf und auf der Reise. Grüße in Bonn Bechmanns und Stintzings aufs beste von

Deinem treuen Vater.