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Karl Hegel an Sophie Hegel, Erlangen, 10. Juni 1881

Liebes Sophiechen!

Rousseau beginnt seine Erziehungslehre1, welche eine Umwälzung hervorgebracht hat, mit den Worten: Tout est bien, sortant des mains de l'Auteur des choses, tout dégénère entre les mains de l'homme2. Du hast diese paradoxen Sätze gründlich widerlegt. Die Knoblauchsblüthe in Georgs Brief stank entsetzlich und zeugte gegen die Natur bei Leipzig; die von Deiner lieben Hand bereiteten und mir zum Geburtstagsangebinde3 geschickten Süßigkeiten aber waren vortrefflich! Dein Brief4 war mir ebenfalls recht erfreulich als ein Beweis Deiner kindlichen Liebe, deren ich auch sonst durchaus versichert bin. Du hast Deine Zeit in Leipzig gut und ganz nach meinen Wünschen ausgenutzt und wirst nicht lange mehr fern von uns bleiben.5 Ich denke, daß Du noch Deine Stunden den Juli hindurch nehmen sollst und Dich Anfang August zur Abreise einrichtest, sobald es Anna gelegen ist, ihr Kind mit Dir fortzuschicken. Georg soll Dich abholen, wie ich versprochen habe, und kann damit noch eine kleine Reise durch Umweg verbinden. Er und Sigmund waren in dieser Woche täglich mit ihren Kameraden auf den Kellern. Mit Sigmunds Treiben und Umgang mit den Ansbachern bin ich schlecht zufrieden; man verspürt die Wirkung davon auch im Hause an seinem wenig theilnehmenden und wenig freundlichen Wesen; ich hoffe, daß es künftig besser mit ihm werden wird, und werde dafür sorgen, daß er aus seinen jetzigen Beziehungen bald heraus kommt. Dein Zurückkommen wird gewiß dazu beitragen, das Haus, wie im Allgemeinen so auch für ihn, neu zu beleben.

Wir werden jetzt von Lommels – es ist Sonntag Abend – erwartet. Lebe wohl, mein liebes Kind!

Hegel