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Karl Hegel an Sophie Hegel, Erlangen, 27. Februar 1881

Liebes Sophiechen!

Es ist mir lieb, daß Du mir gewissermaßen einen zusammenfassenden Bericht über Dein Leben und Thun vor Ende des Monats und noch ehe ich das Geld schicke erstattest, damit ich meine Antwort gleich verbinden kann: so wollen wir es auch ferner halten.

Du lebst ja ganz vergnüglich und bist dabei auch fleißig, so daß Du nach beiden Seiten hin Deinen Gesichtskreis wie Deine Bildung erweiterst, womit ich durchaus zufrieden bin. Denn es kommt darauf an, daß Du in Deinen jungen Jahren die schöne Gelegenheit ausnutzest, die Dir nicht zum zweiten mal so wieder geboten wird. Es freut mich, daß Du Dich so schnell in den Leipziger Kreis eingelebt hast und Dich darin schon heimisch fühlst.1

Deine Erzählung von dem letzten Professorium, von Otto’s Verwegenheit und Gleichmuth, von Deinen Fortschritten in der Schneiderei und im Singen – nur von denen im Französischen hast Du geschwiegen – habe ich mit vielem Antheil vernommen, und nicht wenig freut mich das Vorhaben von Felix und Anna im März einen Besuch in Berlin abzustatten, während sie Dir mit gutem Vertrauen die Sorge für ihr Hauswesen überlassen wollen.

Von unserem Erlanger Leben werden Dir Mariechen und Georg ausführlich berichten. Besonders der letztere kann viel von seinen Thaten in dieser belebten Carnevalszeit erzählen; er hat des Vergnügens so viel genossen, daß er es selbst endlich satt hat: seine Leistungsfähigkeit war wirklich erstaunlich; mehr als einmal hat er die Nacht bis morgens 5 durchgetanzt und war nach 1 oder 1½ Stunden Schlafs wieder auf dem Exercierplatz, ohne daß man ihm eine Ermüdung bis zum folgenden Abend angemerkt hat. Lieb ist dabei nur, daß er sich bei der Inspection der von ihm einexercierten Recruten von seiten des Herrn Obrist das beste Lob vor allen andern verdient hat und sich der vollen Anerkennung seines Hauptmanns wie der Gunst des Herrn Majors erfreut. Auf dem letzten für die hiesigen Verhältnisse glänzenden Costümball im Redutensaal am vergangenen Donnerstag hat er sich in bairischer Bauerntracht an einem Bauern-Hochzeitstanz, wobei Ella Hirschmann die Braut und Hauptmann Aschefing mit Frau das Elternpaar vorstellten, mit großer Lust betheiligt; daß sich sein Bauernmädel, Frl. Rüger, mit vieler Freiheit benahm, war ihm gerade recht. Mundel erschien im gepumpten schwarzen Frack und bewies, daß ihn seine Tanzstunden zu einem hinreichenden Tänzer ausgebildet hatten. Deine Erinnerung an ihn in betreff des Studirens war mir sehr willkommen; von der Schwester macht sie noch mehr Eindruck als wie vom Vater, von dem sie sich nur von selbst versteht.

Unser, mein und Mimis Antheil an den Carnevalsfreuden beschränkte sich auf den Besuch des Tanzvergnügens der Ansbacher, womit für Mundel und seine Kameraden der Tanzunterricht abschloß und wo es für uns beide, die wir kaum einen bekannten Menschen antrafen, so langweilig war, daß wir uns schon um 10 Uhr entfernten – und auf den Besuch des Costümballs2, wo wir uns wirklich gut unterhalten haben. –

Möge es Dir, liebes Kind, so fort gut gehen! Ich füge noch einiges für Anna hinzu.3 Mit herzlichem Gruß

Dein Vater.