Für die kommenden Weihnachten ist Marie mit Ursula (eine Perle!) seit gestern mit Bäckereien eifrig beschäftigt, wovon auch Ihr in Leipzig Euer Theil erhalten sollt. Luise wird heute wohl nach Nürnberg gefahren sein, was sie gestern wegen des abscheulichen Regenwetters und Winds unterlassen hat – heute früh hatten wir Schnee. Mundel ist heute Abend zur Tanzstunde; seinen Fleiß oder Lerneifer kann ich gerade nicht loben; er verkehrt leider zu viel mit seinen Ansbachern und nimmt einen gewissen Burschenton an. Georg hat Dir vor einigen Tagen geschrieben. Die ausgezeichnete Qualification, die er von seinem Major erhalten hat, hat auch mir Freude gemacht und spornt ihn an, mehr zu lernen und sich später für die Aufnahme in die Kriegsakademie würdig zu machen: er ist auf gutem Wege, und ich wünschte, daß die liebe selige Mama ihn noch so gesehen hätte. Von Dir, mein liebes Sophiechen, höre ich gleichfalls gern, daß Du schon besser Deine Zeit zu nutzen lernst, als dies hier in Erlangen der Fall war, wo Du sie so oft verläppert und dabei nichts rechtes gelernt hast: ohne Mühe und Arbeit wird einem das nicht zutheil; das bloße Stundennehmen um theures Geld thut es nicht!
Gern erfülle ich Dir zum Weihnachtsfest einige Deiner Wünsche; doch muß ich mich dabei hauptsächlich auf das Nothwendige beschränken. Anna schreibt, daß Du ein paar Stiefel brauchst nur das Nadelgeld dazu nicht ausreiche. Diese wirst Du Dir selbst am besten in Leipzig anschaffen. Außerdem kannst Du dort auch für Anna und Felix kaufen, was man dort leichter als hier haben kann – die gewünschte Tischdecke und ein paar Bände von Kants Werken als Fortsetzung. Letztere habe ich auf beiliegendem Zettel1 nebst der Adresse der Buchhandlung aufgeschrieben, wo Du die Bücher in Empfang nehmen kannst. Ich weiß nicht, was Deine Stiefel und die Decke, die hübsch sein muß, kosten werden; schicke Dir aber durch Postanweisung 40 Mark; sollte noch etwas davon übrig bleiben, so rechne es zu Deinem nächsten Nadelgeld.
Mit schmerzlicher Theilnahme habe ich aus Annas Mittheilung an Luise gehört, daß es ihr selbst gar nicht gut geht, ihr Gehör sich verschlimmert hat.
Mein Bruder schrieb mir, daß Frau Anna Mangelsdorf ihn in Berlin besucht hat und daß sie im Januar nach München ziehen wolle.2 Habt Ihr sie nicht aufgesucht? Die ganze junge Familie Bitter verweilt schon seit einiger Zeit in Berlin und bleibt bis Februar. Willi kommt zu Weihnachten.
Mit herzlichen Grüßen an Anna und Felix.