Für die freundliche Zusendung Ihrer Schrift über Entstehung der deutschen Stadtgemeinde sage ich Ihnen besten Dank. Ich bin erst in diesen Tagen dazu gekommen sie durchzulesen. Wie aus Ihren beiden vorausgegangenen Aufsätzen, habe ich auch aus dieser Schrift vielseitige Anregung gewonnen. Mit dem Grundgedanken finde ich mich in voller Übereinstimmung so wie ich mich andererseits Ihrer Zustimmung erfreue bezüglich mir in einer Reihe wichtiger Punkte, über welche ich meine Ansicht früher dargelegt habe, so besonders in der Verfassungsgeschichte von Cöln, deren von mir gegebene Ausführung Herr Höniger mit ungebührlicher Anmaßung in toto verworfen hat.
Sie haben diesen selbstbewussten Herrn in verschiedenen Anmerkungen und in einem Excurs nach Verdienst abgefertigt. Seine neue aus der altkölnischen Parochialverfassung geschöpfte Entdeckung besteht darin, daß alle Gemeinde- verfassungen aus den Kirchspielen hervorgegangen seien und die Stadtverfassung auf der Eintheilung nach solchen beruht, wenn ich ihn richtig verstanden habe.
Er hat mir in der Weise, wie er mir begegnet ist, durchaus den gleichen Eindruck gemacht, wie der Baccalaureus im 2. Theil des Faust dem alten Faust: Mephistopheles: ‚Jahr hin, Original, in Deiner Pracht’ und ‚wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, es gibt zuletzt doch noch ‚nen Wein’. Wir werden ja sehen, was für einen!
Neuerdings meint Herr Kruse die Lage über die Herkunft der Kölner Reiferzeche erledigt zu haben. Es ist ein recht eleganter Aufbau, den er zu diesem Ende construirt hat, in dem alles vortrefflich wird zurecht gelegt und zusammenklappt, in der That aber nur ein gebrechliches Kartenhaus, das bei dem ersten Anstoß mit dem Finger zusammenfällt. Sie bemerken hierüber in Ihrem Vorwort mit Recht, daß Nitzsch’ Gildetheorie zu Grunde gelegt ist. Dessen Definition von der norddeutschen Gilde als eine Verkehrsanstalt oder eine Vereinigung für die Verkehrsinteressen der Einwohner wird auf die sogenannte alte Kölner Gilde angewendet, die sich doch ihrem Wesen nach als bloße Weinbruderschaft entpuppt, wie ich bereits Städtechron. XIV S. 75 Anm. 1 (Separatabdruck S. 129) bemerkt habe. Eben dies anerkennt auch Kruse, ohne mich zu nennen, freilich nur als Überrest oder Fortsetzung der alten Gilde (S. 103). Dennoch dient ihm die letztere obwohl wir von ihr absolut nichts weiter wissen, und zwar in ganz fertiger Gestalt und Organisation dazu, um darauf zuerst die Bürgermeister als Vorsteher und an diese die Entstehung der späteren Ruherzeche anzuknüpfen!
Es gereicht mir zur Befriedigung zu sehen, wie Sie mit mir das Schöffencollegium von Köln auch als regierendes Communalorgan anerkannten. Ich habe darauf in meiner Verfassungsgeschichte besonders Gewicht gelegt und dies auch in meiner Recension über Maurers Städteverfassung Bd. 1 (Historische Zeitschrift) Bd. XXVI) nicht bloß für Köln, auch für andre deutsche Städte, sowie die lombardischen und flandrischen aufs neue bekannt. 2 In derselben Recension habe ich Stellung genommen gegen Maurers Ableitung der Stadtverfassung aus der Dorfmarckverfassung. Seiner Meinung nach war die Stadtverfassung oder entsprechend nichts anderes als Stadtmarkverfassung und verschieden von der Dorfmarkverfassung; erst seit Errichtung von Märkten und Entstehung des freien Verkehrs sei es anders geworden.
Ich gebe als etwas ganz Selbstverständliches zu, daß die Städte, abgesehen von den Neugegründeten, aus Dörfern hervorgegangen sind und dörfliche Einrichtungen haben, so weit sie des Bedürfnisses der Bürger genügte; aber ein Unterschied zwischen der Stadt- und Dorfverfassung muß doch schon von dem Moment an bestanden haben, als das Dorf Stadt wurde und Stadtrecht, jus civitati, erhielt; denn die bloße äußere Befestigung machte doch einen Ort nur zur Burg.
Sie, geehrter Herr, haben die Theorie on Maurers gleich von vornherein, indem Sie ihr beipflichteten, einen besseren Ausdruck gegeben. Sie sprechen nicht von der Conti, nicht der Markverfassung in Dorf und Stadt, sondern der Gemeindeverfassung in beiden und weisen diese an einzelnen Beispielen treffend nach. Sie sind auch nicht der wunderlichen Consequenz wie z. B. Herleitung des Stadtrechts aus Ortmarkvorstehern gefolgt, welche mein verehrter verstorbener College in der Historischen Commission zu München zu ziehen für gut befunden und als Belege seiner Theorie in seiner Erwähnung zur Erwiederung auf meine Recension summarisch wiederholt hat (Vorwort des 3 Bds S. XIX). In einem Punkt, wo Sie der Stadt Köln die Marktgenossenschaft absprechen (S. 49) entfernen Sie sich sogar weiter von Maurer, als es seine Theorie principiell zuläßt: weiter als ich selbst zugebe. Sehen Sie dazu wie er die Stadtverfassung von Cöln aus Stadtmarkverfassung demgemäß herleitet S. Bd. I S. 214. Im Übrigen finde ich Ihre Schrift reich an guten Ausführungen und trefflichen Bemerkungen wie z.B. über Kirchspiel und Gilde S. 54 über den Rath als neues nicht aus der Landgemeinde herstammendes bloßes umgeformtes Institut (S. 97 „ganz entgegengesetzt des Mainzer Maurers“) über die Benennung consules, (wobei ich auf meinen Aufsatz: Über die Einführung des Consultitels in den deutschen Städten in der Kieler Monatsschrift Kritische Beiträge 2. Artikel3, mir hinzuweisen erlaube) und Anders mehr.
vAlso noch einmal besten Dank für Ihre Schrift womit Sie aufs neue den bestehenden Combinationen, aus überraschender Entdeckung, womit geistvolle Wirthschaftshistoriker aus andern gewöhnlichen Historikern ein neues Luftschloss glauben aufgesteckt zu haben meinen und vor allem mit unbefangner Anschauung der gegebenen Verhältnisse entgegengetreten sind.