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Karl Hegel an Friedrich Weech, Erlangen, 9. Dezember 1860

eadem die erhalten und beantwortet1

Geehrter Herr Doctor!2

Es ist mir lieb, daß das Mißverständniß, von welchem Sie mir schreiben, sich sobald gelöst hat, daß ich zu gleicher Zeit in Ihren beiden Briefen3 von seinem Vorhandensein und von seiner Beseitigung unterrichtet wurde.

Mit Ihren, wie mir schient, recht theuren Autographen Ankäufen wird Halm4 hoffentlich zufrieden sein, Ihre Nachricht von Kerns Vorhaben den Schürstab abzuschreiben, dann das Ablagenverzeichniß abzuschreiben, hat mich wahrhaft erschreckt und in die peinlichste Ungeduld versetzt. In dem Brief an ihn, welchen Sie abgeschickt, hatte ich ihn aber aufs Dringenste ermahnt seine Arbeiten zum raschen Abschluß zu bringen, da ich das ganze Reiseunternehmen in der Hauptsache für verfehlt halten müßte, nachdem sich der angebliche Anonymus als ein später Ulman Stromer und die andere Chronik des 15. Jahrhunderts als ein lateinischer Meysterlin ausgewiesen hat. Doch davon wollen wir nach außen kein Aufhebens weiter machen und den Schaden der Kosten und des Zeitverlustes mit Ergebung tragen. Nun aber würde dieser Schaden noch unendlich größer werden und ist es zum Theil schon geworden, wenn Kern sich in seiner umständlichen und peinlichen Weise noch lange mit überflüssigem Abschriften aufhalten will! – Gestern habe ich nun auch von ihm selbst einen zweiten Brief5 erhalten, worin er mir die gleiche Abschrift ankündigt – meine erste hatte ihn noch nicht erreicht – und seinem Pester Aufenthalt6 noch gar kein Ende absehen kann. Ich habe ihm hierauf bereits geantwortet7 und ihm – so sehr ich dies bedauern muß – meine Mißbilligung ausgesprochen, besonders mit Beziehung darauf, daß Sie8 jene Abschriften für ganz überflüssig erklärt haben, hätte er uns, wie verabredet war, gleich anfangs die nöthigen Mittheilungen über die Beschaffenheit des Tetzelschen Codex9 gemacht und uns dadurch in Stand gesetzt dessen Wichtigkeit zu beurtheilen – ehe er selbst an die Collationirung ging – so wäre unendlich viel Mühe, Zeit und Geld erspart worden. Hoffentlich hat er in seinem Schreiben an Sie jene Mittheilungen nachträglich gemacht und hätte ich gewünscht, davon auch meinerseits in Kenntniß gesetzt zu werden, weil doch nur ich die Arbeiten zu bestimmen und zu leiten habe und für die Ausführung des ganzen Unternehmens verantwortlich bin. Zugleich habe ich Kern geschrieben, daß ich ihn in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr hier zurückerwarte und daß er seinen Arbeiten in Pest danach einrichten möge. Denn wir haben durchaus keine Zeit mehr zu verlieren, am wenigsten Kern, der mit der Bearbeitung des Anonymus noch zurück ist und der Druck nach Neujahr beginnen soll.

Gegen Ende der Woche hoffe ich Sie in Nürnberg zu sehen. Grüßen Sie bestens von mir Herrn Dr. Lexer.

Ganz der Ihrige
Hegel.