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Karl Hegel an Christoph Friedrich Stälin, Erlangen, 19. November 1858

Hochgeehrter Herr!1

Für Ihr gütiges Andenken und die zugesendeten, mir sehr werthvollen Notizen über Städtechroniken danke ich von ganzem Herzen. In den letzteren sind einige richtige Fingerzeige enthalten, die mich weiter führen werden. Ich bedarf bei meiner Arbeit gar sehr der Unterstützung und Mitwirkung Andrer, die sich auf diesem Gebiete mehr als ich umgesehen haben. Denn wenn man mir auch die Ehre anthut, mich für einen Kenner der Städtegeschichten zu halten, so lagen mir doch gerade die deutschen Städtechroniken bisher ziemlich fern; für meine Forschungen habe ich sie wenig brauchen können, da es mir vor Allem immer auf urkundliche Sicherheit ankam.

Sie haben ganz Recht, wenn Sie besorgen, daß die Ausbeute des Interessanten in unsren Gegenden gering sein werde, wenn man die festgesetzte Grenze einhalten wolle. Aber es ist auch wahr, daß drüber hinaus die Masse kaum zu überweltigen ist, so z. B. in Nürnberg.

Ich muß Ihnen mittheilen, was ich bisher gethan.

Es ist nicht viel, aber doch etwas. Ich war in Augsburg und in Nürnberg und habe an beiden Orten die wichtigsten Handschriften angesehen und Einleitungen, dort mit Herberger, hier mit Lochner, wegen Bearbeitung und Herausgabe der ältesten Chroniken getroffen. Für Augsburg kommen Burkart Zengg, Mielich2 und vielleicht Sender in Betracht, für Nürnberg Ullmann Stromer, sodann Deichsler aus dem 15 Jahrhundert. Die Müllnerische Chronik in 4 fol. Bänden würde gedruckt 200 Bogen ergeben! Werthvoll ist sie gegenwärtig nur in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche im 4 Band enthalten ist. Aber die Masse der Nürnberger Chroniken aus dem 16 Jahrhundert ist unglaublich groß; freilich nicht lauter Originale.

Nach Ulm bin ich noch nicht gekommen; aber ich danke Ihnen zum voraus, daß Sie mich dort angekündigt haben.

Hier in Erlangen komme ich zu nichts während der Vorlesungen; und selbst in den Ferien kann ich wenig thun, wenn ich nicht anders wohin reise, wo eine größere Bibliothek zu benutzen ist; denn die hiesige läßt mich bei den literarischen Vorarbeiten, die doch nöthig sind, durchaus im Stich. Ich überzeuge mich immer mehr, daß für das von mir unternommene Werk ein Mann gefunden werden muß, der sich ihm ausschließlich widmen kann oder der wenigstens sonst frei von dringenden Berufsgeschäften ist: anders kann es nicht rasch und fördersam von Statten gehen. In diesem ersten Jahr3 will ich indeß thun, was in meinen Kräften steht, selbst mit Hintansetzung andrer Verpflichtungen. Ich hoffe zuversichtlich Sie im nächsten Frühjahr oder Sommer in Stuttgart zu begrüßen. Bis dahin bitte ich Sie mich nicht zu vergessen und was Ihnen eben Brauchbares für meinen Zweck in die Hände kommen sollte, gut aufzubewahren. Seien Sie meiner vollsten Hochachtung versichert, in aller Ergebenheit

der Ihrige
Carl Hegel.