Für Ihr gütiges Andenken und die zugesendeten, mir sehr werthvollen Notizen über Städtechroniken danke ich von ganzem Herzen. In den letzteren sind einige richtige Fingerzeige enthalten, die mich weiter führen werden. Ich bedarf bei meiner Arbeit gar sehr der Unterstützung und Mitwirkung Andrer, die sich auf diesem Gebiete mehr als ich umgesehen haben. Denn wenn man mir auch die Ehre anthut, mich für einen Kenner der Städtegeschichten zu halten, so lagen mir doch gerade die deutschenStädtechroniken bisher ziemlich fern; für meine Forschungen habe ich sie wenig brauchen können, da es mir vor Allem immer auf urkundliche Sicherheit ankam.
Sie haben ganz Recht, wenn Sie besorgen, daß die Ausbeute des Interessanten in unsren Gegenden gering sein werde, wenn man die festgesetzte Grenze einhalten wolle. Aber es ist auch wahr, daß drüber hinaus die Masse kaum zu überweltigen ist, so z. B. in Nürnberg. |
Ich muß Ihnen mittheilen, was ich bisher gethan.
Es ist nicht viel, aber doch etwas. Ich war in Augsburg und in Nürnberg und habe an beiden Orten die wichtigsten Handschriften angesehen und Einleitungen, dort mit Herberger, hier mit Lochner, wegen Bearbeitung und Herausgabe der ältesten Chroniken getroffen. Für Augsburg kommen Burkart Zengg, Mielich2 und vielleicht Sender in Betracht, für Nürnberg Ullmann Stromer, sodann Deichsler aus dem 15 Jahrhundert. Die Müllnerische Chronik in 4 fol. Bänden würde gedruckt 200 Bogen ergeben! Werthvoll ist sie gegenwärtig nur in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche im 4 Band enthalten ist. Aber die Masse der NürnbergerChroniken aus dem 16 Jahrhundert ist unglaublich groß; freilich nicht lauter Originale.
Nach Ulm bin ich noch nicht gekommen; aber ich danke Ihnen zum voraus, daß Sie mich dort angekündigt haben.
Hier in Erlangen komme ich zu nichts während der Vorlesungen; und selbst in den Ferien kann ich wenig thun, wenn ich nicht anders wohin reise, wo eine größere Bibliothek zu benutzen ist; denn die hiesige läßt mich bei den literarischen Vorarbeiten, die doch nöthig sind, durchaus im Stich. Ich überzeuge mich immer mehr, daß für das von mir unternommene Werk ein Mann gefunden werden muß, der sich ihm ausschließlich widmen kann oder der wenigstens sonst frei von dringenden Berufsgeschäften ist: anders kann es nicht rasch und fördersam von Statten gehen. In diesem ersten Jahr3 will ich indeß thun, was in meinen Kräften steht, selbst mit Hintansetzung | andrer Verpflichtungen. Ich hoffe zuversichtlich Sie im nächsten Frühjahr oder Sommer in Stuttgart zu begrüßen. Bis dahin bitte ich Sie mich nicht zu vergessen und was Ihnen eben Brauchbares für meinen Zweck in die Hände kommen sollte, gut aufzubewahren. Seien Sie meiner vollsten Hochachtung versichert, in aller Ergebenheit
der Ihrige Carl Hegel.
1Der hier vorliegende Brief behandelt den Auftakt zu dem großen Forschungs- und Editionsvorhaben Karl Hegels (1813-1901) über die „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München mit den ersten Recherchen von Seiten des Editionsleiters auch hinsichtlich Methodik, Konzeption und erste Überlegungen sowie Vorarbeiten zur konkreten Umsetzung des Vorhabens und Forschungsreisen, vgl. hierzu auch einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, insbesondere S. 165 ff.2Mülich. 3Das von Karl Hegel geleitete Editionsunternehmen wurde während der Gründungsversammlung der HIstorischen Kommisison bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften vom 29. SEptember bis 1. Oktober 1858 in München als Kommissionsaufgae beschlossen; vgl. Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 7; Schieffer, Rudolf: Mittelalterliche Geschichte, in: „… für deutsche Geschichts- und Quellenforschung“, S. 59-78, hier S. 67-69.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Stälin, Christoph FriedrichChristoph Friedrich Stälin
HiKo
11720279718051873Stälin, Christoph Friedrich (1805–1873), in Calw geborener Bibliothekar und Historiker, der von 1821 bis 1825 an den Universitäten Tübingen und Heidelberg Philosophie, Theologie und Philologie studierte und danach in den Dienst der Königlichen Öffentlichen Bibliothek in Stuttgart eintrat, deren Direktor er 1869 wurde. Im Jahre 1858 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
LB Stuttgart
.
LB Stuttgart1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Schieffer, Rudolf: Mittelalterliche Geschichte, in: „… für deutsche Geschichts- und Quellenforschung“. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Lothar Gall, München 2008, S. 59-78
.
Schieffer, Rudolf: Mittelalterliche Geschichte, in: „… für deutsche Geschichts- und Quellenforschung“. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Lothar Gall, München 2008, S. 59-78.2008
Herberger, TheodorTheodor Herberger11672820518111870Herberger, Theodor (1811–1870), Archivar in Augsburg.
Lochner, Georg Wolfgang KarlGeorg Wolfgang Karl Lochner10431133917981882 Lochner, Georg Wolfgang Karl (1798–1882), war Lehrer und Archivar. 1846 wurde er Gymnasialprofessor und Rektor des Melanchthon-Gymnasiums in Nürnberg, was er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1857 blieb. Von 1864 an bis zu seinem Tod war er erster Leiter des Nürnberger Stadtarchivs.
Zink (auch: Zeng, Zengg, Zingg), Burk(h)ard11889018213961474 oder 1475Zink (auch: Zeng, Zengg, Zingg), Burk(h)ard (1396–1474 oder 1475), war Augsburger Chronist und Fernhandelskaufmann. Seine Chronik wurde von Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seines Editionsunternehmens der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgegeben.
Mülich, Hektor (Hector)Hector Mülich11873735Xum 14201489 oder 1490Mülich, Hektor (Hector) (ca. 1420–1489/1490), war Augsburger Chronist, Bürger, Kramer, Zunftmeister, Ratsherr und Historiker, dessen Chronik über Augsburg von Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seiner umfangreichen Städtechroniken-Edition im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München im Jahr 1865 herausgegeben wurde.
Sender, Clemens11553386914751537Sender, Clemens (1475–1537), war ein Augsburger Chronist und Historiker, der 1496 in das Benediktinerkloster Sankt Ulrich in Augsburg eintrat; er verfasste eine deutschsprachige „Chronik der Stadt Augsburg“, die in der von Karl Hegel (1813–1901) betreuten Editionsreihe der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgegeben wurde.
Stromer (Stromeir, Stromeyr), Ulman11893325613291407Stromer, Ulman (1329–1407), auch Stromeir oder Stromeyr, Nürnberger Ratsherr, Kaufmann und Chronist, legte die Gründungsgeschichte des Stromerschen Unternehmens in seinem seit 1385 niedergeschriebenen „Püchel von mein geslecht und von abentewr“ dar, welche zur ersten Familienchronik in deutscher Sprache avancierte. Dieses „Püchel“ wurde von Karl Hegel (1813–1901) in seinem umfangreichen Editionsunternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München gleich im ersten Band dieser Edition im Jahr 1862 herausgegeben und mit einer ausführlichen Einleitung des Herausgebers selbst versehen.
Deichsler, Heinrich11898652X1430Ende 1506/Anfang 1507Deichsler, Heinrich (1430– ca. 1506/07), war Chronist, Bierbrauer und Bürger in Nürnberg, der eine Nürnberger Chronik in Form einer Kompilation verfasste, die er mit eigenen Erlebnissen bis kurz vor seinem Tod selbständig weiterführte. Karl Hegel (1813–1901) gab diese Chronik in Verbindung mit älteren Jahrbüchern im Rahmen der Nürnberg-Bände seines umfangreichen Editionsunternehmens der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ heraus; sie gilt als Fundgrube für die Kultur-, Alltags-, Sitten- und Sozialgeschichte Nürnbergs. Karl Hegel verfasste überdies über Heinrich Deichsler einen Artikel in der ADB; vgl. dazu DB .
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Augsburg48.3668041,10.8986971Auf römische Zeit zurückgehende alte Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches und Bischofsstadt am Lech, etwa 65 Kilometer nordwestlich von München gelegen und seit 1806 zum Königreich Bayern gehörig.
Ulm48.3974003,9.9934336Etwa 100 Kilometer nordöstlich von Friedrichshafen am Bodensee gelegene ehemalige Reichsstadt an der Donau, die vier Jahre nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 vom Königreich Bayern an das Königreich Württemberg kam.
Stuttgart, auch: Stuttgard48.7784485,9.1800132Am Neckar gelegene Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Städtegeschichte, StädtegeschichtenVon Karl Hegel (1813-1901) und seinen Kollegen in seiner Korrespondenz, aber auch in seinen Forschungen und wissenschaftlichen Publikationen als Synonym für Stadtgeschichte aus vergleichender Perspektive für die Geschichte bzw. Geschichten als historische Abhandlung(en) mehrerer Städte gebraucht.
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
urkundlichZu einer Urkunde gehörend, auf eine Urkunde bezogen, einer Urkunde zuzuordnen.
Müllner’sche Annalen (Chroniken), Müllnersche Annalen (Chroniken)„Annalen der Reichsstadt Nürnberg“ als Werk des Historiographen, Ratsschreibers, Historikers. Geschichts- und Stadtschreibers Johannes Müllner (1565-1634), zu deren Verfassen er angeregt wurde durch den Augsburger und Nürnberger Chronisten und Benediktiner Sigmund Meisterlin (um 1435 bis nach 1497) und welche als das Hauptwerk Müllners zählen, das er in 25jähriger Arbeit geschaffen hatte. 1623 konnte er das fertige Werk dem Nürnberger Rat übergeben, wofür er als Anerkennung 600 Gulden erhielt. „Die Müllner’schen Annalen“ werden als solche in der Korrespondenz Karl Hegels (1813-1901) mit dem Münchner Bibliotheksdirektor und Philologen Karl Halm (1809-1882) im Zusammenhang mit möglichen Ankäufen von Seiten der Bayerischen Staatsbibliothek in München erwähnt.
Folio/folioHistorisches deutsches Papierformat, oftmals mit „fol.“ abgekürzt.
Nürnberger, NürnbergischZu Nürnberg gehörend, Nürnberg betreffend, Nürnberg bezeichnend etc.
Original(e), Originalhandschrift(en); OriginalienUrsprüngliche handschriftliche Quelle(n); Originalschriften; Originalwerk (z. B. literarisches Werk etc.).
Vorlesung(en)Lehrveranstaltung(en) an Universitäten.
Universitätsbibliothek, Universitäts-Bibliothek ErlangenDie Erlanger Universitätsbibliothek wurde 1743 zusammen mit der Gründung der Universität durch den Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth (1711-1763) gegründet und verfügt heute über mehrere Standorte sowie Teilbibliotheken, die sich teilweise auch aus Fusionierungen der Universität und Neugründungen von Fakultäten im weiteren Verlauf der Universitätsgeschichte ergaben.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis