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Karl Hegel an Johann Sigmund Karl Tucher, Rostock, 31. März 1856 (nach 24. März und vor 14. April 1856)

Lieber Vater,

Du wirst ohne Zweifel schon längst erfahren haben, daß mir die Mittheilung über die erfolgte königliche Bestätigung der von mir selbst gestellten Bedingungen nur wenige Tage nach Deiner telegraphischen Depesche auch von Seiten des Prorectors der Universität zugegangen ist, nämlich am zweiten Osterfeiertage2 Abends. Der Tag der königlichen Bestätigung war der Geburtstag3 meiner seligen Mutter. Wie würde sich die Selige und Verklärte darüber mit uns gefreut haben!

Seitdem habe ich in Berlin meine definitiv ablehnende Erklärung für Greifswald abgegeben4 und in Schwerin die offizielle Anzeige von meinem Weggang zu Michaelis5, natürlich eben so hier bei meinen Collegen.6 Mein Entlassungsgesuch werde ich in den nächsten Tagen einreichen7; die Vorschläge zur Wiederbesetzung meiner hiesigen Professur habe ich auf erhaltene Aufforderung schon vorläufig gemacht. Nach Erlangen habe ich gleichfalls die definitive Erklärung der Annahme des Rufs abgegeben8 und das Immediat Gesuch an den König wegen Verleihung des bayrischen Indigenats beigelegt. Mit diesen Dingen also wäre ich in Ordnung, und noch manche andere Geschäfte daneben habe ich abgemacht; doch bleiben die Hauptsachen der Zukunft vorbehalten. Aber an Einiges ist gleichfalls jetzt schon zu denken; zuerst an unsere Wohnung in Erlangen. Ich habe derhalb schon an Hofmanns geschrieben und sie gebeten, wenn sie etwas von einer passenden Wohnung hören sollten, Euch davon zu schreiben, da Ihr wohl so gut sein würdet, solche anzusehen und für uns zu miethen. Ich fürchte, es wird Noth haben, eine freundliche und passende Wohnung zu finden. Wir sind in dieser Beziehung seit drei Jahren sehr verwöhnt worden: die Lage des Hauses vor der Stadt im Freien und doch nahe bei Allem, das Alleinwohnen im Hause, das Gärtchen vorn und hinten für die Kinder, die vielen Räumlichkeiten mit 8 Wohnzimmern – so angenehm werden wir es wohl nicht wieder finden. Doch ist es erlaubt, unsere Wünsche auszusprechen hinsichtlich dessen, was wir am schwersten entbehren würden. Dazu gehört entweder ein Garten am Hause oder die Lage im Freien, welche jenen entbehrlich macht und am wünschenswerthesten für uns Alle ist. An Räumlichkeiten brauchen wir, Susi ein Wohnzimmer und Kinderzimmer und zwei Schlafzimmer, ich ein Wohnzimmer und Schlafstube, das sind ohne Gaststube und Mädchenstube mindestens 6 Wohnräume. Ich weiß nicht, wie die Miethspreise in Erlangen sind, aber ich wünsche dabei nicht zu sparen, wenn nur für gutes Geld eine gute Wohnung zu erhalten ist.

Noch über einen anderen Punkt wünsche ich Dich, lieber Vater, zu befragen. Manuel schreibt mir, daß uns von den in Berlin hypothekarisch angelegten Geldern unserer seligen Mutter 2000 rt. gekündigt worden sind und noch in diesem Monat zur Auszahlung kommen sollen. Ich habe somit über 1000 rt. zu verfügen, und es fragt sich, ob ich sie in Berlin anlegen soll, in Eisenbahn Prioritäts Obligationen, wie Manuel räth und selbst thun will, oder ob ich dazu gute Gelegenheit in Nürnberg durch Deine gütige Vermittlung finden kann. Da ich von dem Verkauf der Bergwerks Actien noch übriges Geld in Händen habe, so könnte ich noch ein Paar 100 rt. zulegen und 1200 rt. = 2100 Gulden offeriren. Ich gestehe, daß ich zu den Eisenbahn Prioritäts Obligationen (es sind Oberschlesische gemeint) kaum große Neigung habe, weil ich deren schon hinlänglich besitze und meine Capitalien lieber auf verschiedene, natürlich gleich sichere Weise, anlegen möchte. Wie hoch stehen jetzt die bayrischen Staatspapiere im Curs – z. B. die 4 pro Cent 9 Schuld? und sind sie leicht zu jedem Betrage à 100 Gulden oder zu welchem zu haben? Oder kannst Du mir ein anderes gutes d. h. sicheres und rentables Papier empfehlen?

Auch die Sparkassengelder der Kinder zum Betrage von im ganzen 120 rt. = 210 Gulden werde ich hier herausziehen: ich kann sie wohl eben so gut in Nürnberg anlegen? Hier werden sie mit 3⅛ pro Centverzinst, Zins auf Zins. Die Kinder sind übrigens in einer Versorgungskasse, für die künftige Ausstattung, eingeschrieben, und will ich deshalb jene Spargelder wenig oder gar nicht vermehren.

Habe doch die Güte, lieber Vater, mir recht bald wegen der etwaigen Unterbringung meines Capitals in Nürnberg zu antworten, damit ich Manuel schreiben kann, was er damit machen soll, wenn es ausgezahlt wird.

Ich beabsichtige jetzt, das leere Biertönnchen zurückzuschicken, um es wieder füllen zu lassen; denn das Bier behagt uns ganz besonders gut und gereicht besonders Susi zur Stärkung in schwachen Stunden.

Zwei oder drei Exemplare meines Berliner Vortrags10 werde ich schicken, eins davon ist für die lieben Neuburger11 und eins für Onkel Wilhelm und Familie, wenn ich nämlich noch ein drittes abgeben kann, sonst behelfen sich wohl alle lieben Nürnberger, die sich dafür interessieren mit dem einen Eurigen.

Susi wird wohl selbst noch schreiben. Doch muß ich noch berichten, daß wir unsere Sachen wahrscheinlich größtentheils, nämlich in soweit wir sie mitnehmen wollen, mit einem Güterwagen auf der Eisenbahn von hier ohne Umladung nach Erlangen bringen werden. Das Nähere darüber soll ich erst noch in den nächsten Tagen erfahren.

Meine innigsten Grüße an die liebe Mutter und Geschwister d. h. Eure Kinder und an die lieben Großeltern. Susi hat noch nicht geschrieben, läßt aber herzlichst grüßen und wird in den nächsten Tagen schreiben.

Dein Sohn Karl Hegel