Hochgeehrtester Herr Doctor.12
Ein heftiges Augenübel, welches mich seit einigen Wochen befallen hat, verhindert mich selbst an Sie zu schreiben und Ihnen für die reichen Schätze, die Sie mit übermacht haben, zu danken. Ich habe sowohl die mathematica und Bamberger Zeitung als auch die Postsendung erhalten. Ich wundere mich gegenwärtig nicht mehr, daß Sie die Frist, die ich mir für die Bearbeitung des Werkes gesetzt hatte, zu klein fanden, denn jetzt erst habe ich ein Material empfangen, welches bis dahin ganz brach gelegen zu haben scheint; ich weiß zunächst nichts Besseres zu thun, als von dem bedeutendsten, was mir aufstößt, saubere Reinschriften zu machen. Der Himmel gebe, daß mein Auge nur bald wieder hergestellt werde, da mein Verlangen nach dieser Arbeit täglich wächst. Vorzüglich hat mich das System der Philosophie vom Jahr 1800 und das Leben Jesu überrascht. Ersteres ist vorzüglich wichtig, um Hegels ursprüngliches Verhältniß zu Schelling festzustellen. Ich stimme dem Urtheil des Herrn Professor Mischilete in seiner Schrift gegen Weisse vollkommen bei und wollte schon in der Vorrede zur Propädeutik3 diesen Controvers Punkt berühren, unterließ es aber, weil mir Hegels Biographie ein noch angemessenerer Ort für diese Entwickelung scheint und werde aus jenem System nicht unbedeutende Waffen entnehmen können. Sie theilen dies mal gefälligst Herrn Mischilet Michelet mit. –
Unter dem Wust der Mathematica, welche allerdings zum größten Theil nur Auszüge und Bemerkungen enthalten, habe ich eine sehr schöne Arbeit über das Verhältniß Keplers und Newtons gefunden. Hegel hat die Arbeit über das Gesetz der Planetenabstände offenbar drei mal gemacht, erstens im reinen Calcul, den ich auch noch gefunden habe; zweitens in dieser deutschen Abhandlung, die eigentlich dasselbe Thema hat, als Schellings Buch von der Weltseele4, d. h. die Unterscheidung des Mechanischen und Organischen und vorzüglich der absoluten Mechanik von der endlichen. Drittens in der lateinischen Dissertation die nur 1/3 der deutschen umfaßt.
Sie sind so gütig mir noch weiter jede Hülfe anzubieten. Vor der Hand vermiße ich Kleinigkeiten ausgenommen, weiter nichts als ein Verzeichniß der Vorlesungen, die Hegel in Tuebingen gehört hat. Aus der Litteraturgeschichte weiß ich, daß Ploucquet gerade bis 1790 lebte und es wäre merkwürdig, wenn Hegel noch den Unterricht dieses Mannes genossen hätte, der die Logik nur als ein Rechnen behandeln wollte, dies Verzeichnis kann Ihnen ja nur wenig Zeit und Mühe kosten. –
Daß meine Comoedie einen heitern Eindruck gemacht hat freut mich, ich habe nur Heiterkeit damit beabsichtigt und wünsche Niemand dadurch zu verstimmen. Die critischen Erlaeterungen, die Ihnen noch zugehen werden, haben für mich den sorischen Werthe zusammensinkt, ich erlaube mir, da ich nicht selbst schreiben kann, Ihnen einen Brief mitzutheilen, von dem Sie mir einen Auszug empfangen haben. Sie werden daraus entnehmen, was Alles bei dieser Aufgabe mich bewegte. –
besonderen Zweck mir meine bisherige Auffassung Hegels zusammenzufassen, mich von ihr durch diesen Akt gewisser massen zu emancipiren und für sein Leben mir eine ganz neue, frische von allen Vorurtheilen gereinigte Ansicht zu schaffen. Der Einblick in dasjenige, was von Hegel der Welt noch nicht bekannt ist, hat das Bild dieses Mannes bei mir in einem solchen Grade in’s Erstaunens würdige hin verändert, daß mir Alles, was ich bisher über ihn gesagt habe zu einem nur proviEmpfehlen Sie mich Ihrer verehrten Frau Mutter und den Freunden. Von der fatalen Geschichte mit Duncker hatte ich natürlich keine Ahndung, wegen der Geldsache hat er natürlich keine Eile, da sie im allgemeinen arangirt ist.
Wegen des geringen Umfangs der Religionslehre in der Propädeutik habe ich in der Vorrede eine ganz bestimmte Erklärung gegeben, die hinlänglich sein wird wie jede tediöse Insinuation niederzuschlagen.
P. S. Herr Prof. Abegg in Breslau ist so gütig gewesen mir über Hegels Scholarchat in Nuernberg sehr interessante Mittheilungen zu machen.6