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Karl Rosenkranz an Karl Hegel, Königsberg in Preußen, 2. April 1840

Ew. Wohlgeboren2

benachrichtige ergebenst, daß ich nunmehr mit der Ausarbeitung der Hegel’schen Propädeutik3 zu Ende bin und auch die Vorrede geschlossen habe, die nur noch der Abschrift bedarf. Ich frage daher an, ob Sie das Manuscript haben wollen, um den Druck zu vollenden? Das Ganze werden etwa 14 – 15 Druckbogen, höchstens 16. Auf Ihre Ordre kann ich das treffliche Werk, welches, der Menge vorzüglich, die Hegel’sche Philosophie in einem ganz neuen Lichte zeigen und seinen Grundbestimmungen viel zugänglicher machen, aber auch die tiefste Speculation durch die eigenthümlichsten Wanderungen beschäftigen wird, sogleich schicken.

Ich habe erklärt, daß ich für meine Bemühungen ein Pauschquantum anrechnen wolle, da meine Verhältnisse mir leider nicht gestatten, ohne alle Entschädigung zu arbeiten.

Ich erlaube mir daher, Ew. Wohlgeboren folgenden Vorschlag zu machen. Ich habe auch He- gels Leben zu schreiben übernommen. Mit dem Entwurf zu demselben bin ich in den letzten Wochen glücklich zu Ende gekommen. Hegels Leben ist vorzüglich die Geschichte seiner Arbeiten. Ich muß das Werden seiner Philosophie als System in seinem Philosophiren nachweisen. Das, was das Individuelle anbetrifft, werde ich nach Hegels eigener Ansicht (Enzyklopädie 3te Auflage S. 551 unten4) behandeln müssen. Das Schwierigste ist, daß ich die ganze Entwicklung des Schelling’schen Systems und der Schelling’schen Schule hineinziehen muß. Ich würde nun sofort an die specielle Ausarbeitung dieser Biographie gehen können, wenn Folgendes geschähe.

Ich laborire beständig an Schulden bei den Herrn Buchhändlern, weil ich unglaublich viel Literatur consumire und im Stillen für künftige Zeiten einige größere Werke vorbereite, zb. z. B. eine Ästhetik des Häßlichen5, wozu ich einen großen Apparat brauche. Für das Studium der Carricatur allein habe ich seit ein paar Jahren über anderthalb hundert Thaler ausgegeben. Ich habe nun bei Bornträger meine Rechnung schon bezahlt, schulde aber noch an Gräfe und Unzer fast 200 Thaler.

Wenn mir nun die Societät zur Herausgabe der Hegel’schen Werke für die Propädeutik und für Hegel’s Leben zusammen 200 rt Reichstaler verwilligen wollte, aber in der Weise, daß Sie sich anheischig machten, diese Summe im Monat Juli an die Herrn Gräfe und Unzer hierselbst für mich zu zahlen, so würde ich bis zum November mit Hegels Leben ziemlich aufs Reine sein und könnte es bis Ostern 1841 gedruckt werden.

Kann dies nicht geschehen, so muß ich schon, wie so oft, auf eine andere Arbeit denken, welche mich schneller zu jenem Ziel gelangen läßt, was mir aus dem Grunde vorzüglich unangenehm wäre, weil ich darnach dürste, Hegel’s Le- ben zu schreiben. Es wird etwa 30 Bogen stark werden.

Ich denke nicht, daß meine Forderung unbillig ist und bitte um baldige Nachricht, wie Sie und die Societät meinen Vorschlag aufgenommen haben.

An die Frau Professor Hegel bin ich so frei, einige Zeilen einzulegen.

Hochachtungsvoll
Ew. Wohlgeboren
Ergebenster
Karl Rosenkranz