Hochverehrter Herr College!
Unsere Akademie nimmt den lebhaftesten Antheil an der Festfreude bei der Wiederkehr des Tages, an dem Sie vor fünfzig Jahren die akademische Doctorwürde erwarben. Es war der Anfang einer grossen wissenschaftlichen Thätigkeit.
Sie haben bei dem gewaltigen Umfang Ihrer Disciplin sich weder in’s Allgemeine verloren noch sich auf die Enge eines singulären Stoffes beschränkt. Mit einer seltenen Vielseitigkeit des Geistes und Wissens vermochten Sie es die verschiedensten Gebiete für sich zu erobern.
Zuerst verdankte Ihnen ein deutscher
Einzelstaat die Erforschung seiner landständischen Entwicklung in mustergültiger Weise. Die Eigenthümlichkeit der Verhältnisse jenes Territoriums tritt dabei in um so interessanterer und fruchtbarerer Beleuchtung hervor, als Sie den Zusammenhang mit den analogen Erscheinungen dabei festhielten, und der Gewinn, den als Ihrem Werke die Geschichte einer einzelnen Landesverfassung von besonderem Gepräge zog, ist zugleich ein Gewinn gewesen wie für die Erkenntniss der Entwicklung in anderen Herrschaften so für die Geschichte des Reiches selbst.
Sie haben dann Ihre verfassungsgeschichtlichen Forschungen weitergeführt, dieselben aber ausgedehnt auf das städtische Gebiet. Zunächst hat das der Geschichte eines fremden Landes, das aber lange mit dem deutschen Staate auf’s Engste verknüpft war, die Entscheidung einer Reihe von Fragen gebracht. Es gelang Ihnen, indem Sie von genauer Untersuchung der Überlieferung römischer Culturformen ausgingen, gerade die antike Erbschaft abzulehnen, und in massgebender und bleibender Argumentation die neueren Grundlagen in der Entwicklung der italienischen
Städteverfassung nachzuweisen. Man begreift, dass der Glanz und die universelle Bedeutung der bürgerlichen Gemeinwesen Italiens Sie vor allem anzog. Aber wie es die germanischen Elemente waren, die dabei ihr Recht erhielten, so sind die Ergebnisse dieser Studien sofort und unmittelbar auch der vaterländischen Geschichte in hohem Grade zu gut gekommen.
Wenn Sie noch weiterhin einen hervorragenden und erfolgreichen Antheil an der Kritik wichtiger historischer Quellen jenes Nachbarlandes gehabt, die der Verfassungsgeschichte wie dem litterarischen und allgemein-politischen Gebiete angehören, so war Ihre umfassendste Thätigkeit doch den Heimischen Aufzeichnungen bürgerlichen Lebens zugewandt. Sie haben dabei sich nicht beschränkt auf eine mit allen Mitteln der Technik durchgeführte Herausgabe von chronikalischen und urkundlichen Denkmälern; auch die Verwerthung derselben auf dem verfassungsgeschichtlichen Boden war das erste Recht dessen, dem die vollste und zugleich reifste Kenntniss der dazu gehörigen Stoffe zur Verfügung stand. Und so verdankt Ihnen eine Anzahl deutscher Städte zugleich den kritischen Aufbau eines reichen Bildes ihrer innern Einrichtungen. In die gegebenen Fusstapfen sind dann auch jüngere Kräfte eingetreten, die sich unter Ihnen vereinigt haben um Ihre Sammlung zu fördern, und das grosse Werk wird für immer eine Fundgrube bleiben für die nationale Historiographie des Bürgerthums.
Dem, was die Wissenschaft von Ihnen noch zu erwarten hat, sieht sie voll Hoffnung entgegen. Mit der Zahl der Jahre, die wir hinter uns bekommen, gewinnen die Stunden an Werth, ehe wir noch vor uns sehen. Sie sind unschätzbar bei einem geistigen Leben wie dem Ihrigen. Wir freuen uns schon jetzt, die Früchte derselben reifen zu sehen, und unsere Wünsche sind mit Ihnen, mit Ihrem Leben und Ihrer dauernden Wirksamkeit.
Königliche Akademie der Wissenschaften zu BerlinKönigliche Akademie der Wissenschaften zu BerlinKöniglich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin
: PAW (1812-1945), II-III-121. 123; II-V-53, 64, 77, 153.
BBAW Berlin
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Hegel
, Karl: Geschichte der me(c)klenburgischen Landstände bis zum Jahr 1555 mit Urkunden-Anhang. Rectorats-Programm, Rostock 1856 (= ND Aalen 1968).
Hegel
, Geschichte der me(c)klenburgischen Landstände
1856
Hegel
, Karl: Geschichte der Städteverfassung von Italien seit der Zeit der römischen Herrschaft bis zum Ausgang des zwölften Jahrhunderts, 2 Bde., Leipzig 1847 (= ND Aalen 1964).
Hegel
, Geschichte der Städteverfassung von Italien
1847
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Deutsches ReichDeutscher Nationalstaat von 1871 bis 1918 in Form einer Monarchie mit einem Kaiser an der Spitze.
DeutschlandKulturgeschichtlich ist damit der Raum deutscher Nation und Sprache gemeint, wo „Teutschland“ im Laufe der Frühen Neuzeit eine Kurzbezeichnung für das „Heilige Römische Reich teutscher Nation“ wurde. Im 19. Jahrhundert wurde „Deutschland“ immer mehr zur inoffiziellen Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas, zunächst das Gebiet des 1815 gegründeten Deutschen Bundes, dann des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.
ItalienDie in der Form eines Stiefels als Apeninnen-Halbinsel ins Mittelmeer hineinreichende Landschaft von den Alpen bis Sizilien war politisch bis ins 19. Jahrhundert vom Nebeneinander einer Vielzahl von Staaten und von Fremdherrschaft geprägt. Im Zuge der italienischen Nationalbewegung (Risorgimento) kam es erst 1861 zur Gründung des Königreiches Italien als eines Nationalstaates mit König Viktor Emanuel II. (1820-1878) an der Spitze.
königlichAuf einen König bzw. auf ein Königreich bezogen, dazu gehörend, diesem zuzuordnen.
Academie, Akademie der Wissenschaften (Preußen)Gelehrtengesellschaft, die im Jahre 1700 von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713), dem König Friedrich I. in Preußen von 1701 bis 1713, in Berlin gegründet wurde.
Doctorjubiläum (Doktorjubiläum), Doctor-JubiläumEhrentag anlässlich der - zumeist fünfzigjährigen - Wiederkehr der Prüfung zur Erlangung der Doktorenwürde.
wissenschaftlichAuf die Wissenschaft bezogen, ihr zuzuordnen, auf ihr gründend, sie betreffend, zu ihr gehörend, sie beinhaltend.
UniversitätsdisciplinFachrichtung an einer Universität; auch: Einhaltung bestimmter Vorschriften bzw. entsprechender Verhaltensregeln etc. innerhalb der Universität vornehmlich bezogen auf die Studierenden.
GeschichtswissenschaftErforschung und Rekonstruktion des Gewesenen auf Grundlage eines methodisch gesicherten, historisch-kritischen Umgangs mit den Quellen.
Geschichtswissenschaften, deutscheAls Übergriff der verschiedenen geschichtswissenschaftlichen Disziplinen bezogen auf die deutsche Geschichte gebraucht, siehe auch: Geschichtswissenschaft.
StoffLiterarischer, bestimmter thematischer oder wissenschaftlicher Stoff als Grundlage einer entsprechenden Darstellung, Behandlung, Gestaltung, Forschung; Material; etwas, worüber man nachdenken, berichten, sich unterhalten oder lustig machen kann (z. B. Gesprächsstoff).
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
Verfassung, altlandständische (Mecklenburg)In Mecklenburg herrschte bis zum Jahr 1918 ein verfassungsgebendes feudales Ständesystem vor, wobei die Exekutive beim Landtag lag, von welchem die jeweiligen Landesfürsten, von denen es durch Herrschaftsteilungen innerhalb des Fürstenhauseres mehrere gab, in Person ausgeschlossen waren.
GeschichteGeschichtswissenschaft als Universitätsdisziplin sowie als gymnasiales Unterrichtsfach; auch: historische bzw. gesellschaftswissenschaftliche Abhandlung, Darstellung, Monographie über einen speziellen konkreten oder abstrakten Forschungsgegenstand wie z. B. die Geschichte einer Stadt, Geschichte einer wissenschaftlichen Disziplin etc.
Heiliges Römisches ReichDas am 6. August 1806 von Kaiser Franz II. (1768-1835) für beendet erklärte „Alte Reich“, das kein Deutsches Reich im Sinne eines Nationalstaates war.
verfassungsgeschichtlichAuf die Verfassungsgeschichte bezogen, ihr zuzuordnen, zu ihr gehörend, sie betreffend.
Geschichte der Städteverfassung von Italien, auch: Verfassungsgeschichte der italienischen StädteEs handelt sich hier um die von Karl Hegel (1813-1901) 1847 in Leipzig (Weidmann’sche Buchhandlung) publizierte zweibändige Abhandlung über die „Geschichte der Städteverfassung von Italien seit der Zeit der römischen Herrschaft bis zum Ausgang des zwölften Jahrhunderts“.
römischZu Rom gehörend, auf Rom bezogen, Rom zuzuordnen.
antikAuf die Antike bezogen, ihr zuzuordnen, zu ihr gehörend.
Italiänisch, italiänisch, Italienisch, italienischZu Italien gehörend, Italien zuzuordnen, auf Italien bezogen; italienische Sprache; auch: italienische Forschungsgegenstände.
Stadtverfassung, StädteverfassungRechtskräftige Verfassung einer Stadt bzw. mehrerer Städte (Rechtswesen) insbesondere auch als Forschungsgegenstand Karl Hegels (1813-1901).
BürgerlichAuf das Bürgertum bezogen, ihm zuzuordnen, zu ihm gehörend.
germanischZu den Germanen gehörend, auf sie bezogen, ihnen zuzuordnen.
vaterländischAuf das „Vaterland“ bezogen, ihm zuzuordnen, zu ihm gehörend etc.; im 19. Jahrhundert auch gebräuchlich für die politische Gesinnung derjeniger Menschen, die sich ein vereintes Deutschland im Sinne eines Bundesstaates wünschten.
Quelle(n), historischeTexte als Quellen und andere Zeugnisse wie Sachquellen, Bildquellen, auch Zeitzeugenberichte und Ähnliches sowie abstrakte Quellen, die die vergangene Geschichte unmittelbar erleuchten und dabei helfen, bei historisch-kritischer Behandlung, die Vergangenheit entsprechend zu beleuchten, zu rekonstruieren, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen sowie einordnen und bewerten zu können; eindeutig abgegrenzt werden die Quellen von der fachwissenschaftlichen Literatur in Form sogenannter Darstellungen, in der Germanistik auch als Sekundärliteratur im Gegensatz zur Primärliteratur bezeichnet.
historischgeschichtswissenschaftlich; geschichtlich
VerfassungsgeschichteInterdisziplinäres Teilgebiet der Geschichts- und der Rechtswissenschaft auch hinsichtlich rechtshistorischer Kontexte, das sich vornehmlich mit der Entwicklung von Verfassungen im Laufe der Geschichte beschäftigt.
chronicalisch, chronikalischAls bzw. in Form einer Chronik abgefasst.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Urkunde, Urkunden, urkundliche DenkmälerAus dem Althochdeutschen von „urchundi“ für „Zeugnis“ stammender Begriff für ein historisches Dokument in Form eines geschriebenen, nicht literarischen Textes, der im engeren Sinne eine rechtskräftige Niederschrift einer schriftlichen, in bestimmter, wenn auch wechselnder Form abgefassten Erklärung über rechtliche Vorgänge darstellt, welche in der abendländischen Geschichte seit der römischen Antike belegt ist.
Stadt, StädteAllgemein in einer Landschaft, einer Herrschaft bzw. in einem Staat verkehrsgünstig, oft zentral gelegener Knotenpunkt von Handel und Gewerbe, Regierung, Verwaltung, Militär und Kult; oftmals Mittelpunkte eines Volkes und weltweit nachweisbar auch hinsichtlich früher Hochkulturen; innerhalb der europäischen Geschichte enge Verflechtung mit Markt und Handel, Ansiedlung von Kaufleuten, Handwerkern und Militär; frühes Streben auf europäischen Boden innerhalb der Städte nach Freiheit und Selbstverwaltung auch äußerlich in Form der freien Reichsstädte mit eigenem Stadtrecht („Stadtluft macht frei“) in Abgrenzung zum geltenden Landrecht, womit die Städte auch als Keimzelle des Bürgerstandes anzusehen sind. Mit seinen Arbeiten zur städtischen Verfassungsgeschichte und der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München beteiligte sich Karl Hegel (1813-1901) führend an der faktisch-wissenschaftlichen Beweisführung hinsichtlich dieser Annahme hin zur bewiesenen Tatsache, womit seine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der stadtgeschichtlichen Forschung als gleichsam richtungsweisend wie fundamental anzusehen sind.
Bürgerthum, BürgertumIm Gegensatz zu Adel und Bauern bezogen auf die in einer Stadt lebenden Bevölkerung, welche sich seit der Französischen Revolution verstärkt als wirtschaftlich und sozial führende Schicht bzw. dritter Stand etablierte; innerhalb reichsunmittelbarer Städte schon seit dem Mittelalter freies Bürgertum, das nur den Kaiser über sich hatte.
Wissenschaft, WißenschaftForschende Tätigkeit in einem bestimmten Bereich zur Hervorbringung eines begründeten, geordneten bzw. für sicher erachteten Wissens.