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Die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin an Karl Hegel, Berlin, September 1887

Hochverehrter Herr College!

Unsere Akademie nimmt den lebhaftesten Antheil an der Festfreude bei der Wiederkehr des Tages, an dem Sie vor fünfzig Jahren die akademische Doctorwürde erwarben.1 Es war der Anfang einer grossen wissenschaftlichen Thätigkeit.2

Sie haben bei dem gewaltigen Umfang Ihrer Disciplin sich weder in’s Allgemeine verloren noch sich auf die Enge eines singulären Stoffes beschränkt. Mit einer seltenen Vielseitigkeit des Geistes und Wissens vermochten Sie es die verschiedensten Gebiete für sich zu erobern.

Zuerst verdankte Ihnen ein deutscher Einzelstaat die Erforschung seiner landständischen Entwicklung in mustergültiger Weise.3 Die Eigenthümlichkeit der Verhältnisse jenes Territoriums tritt dabei in um so interessanterer und fruchtbarerer Beleuchtung hervor, als Sie den Zusammenhang mit den analogen Erscheinungen dabei festhielten, und der Gewinn, den als Ihrem Werke die Geschichte einer einzelnen Landesverfassung von besonderem Gepräge zog, ist zugleich ein Gewinn gewesen wie für die Erkenntniss der Entwicklung in anderen Herrschaften so für die Geschichte des Reiches selbst.

Sie haben dann Ihre verfassungsgeschichtlichen Forschungen weitergeführt, dieselben aber ausgedehnt auf das städtische Gebiet. Zunächst hat das der Geschichte eines fremden Landes, das aber lange mit dem deutschen Staate auf’s Engste verknüpft war, die Entscheidung einer Reihe von Fragen gebracht. Es gelang Ihnen, indem Sie von genauer Untersuchung der Überlieferung römischer Culturformen ausgingen, gerade die antike Erbschaft abzulehnen, und in massgebender und bleibender Argumentation die neueren Grundlagen in der Entwicklung der italienischen Städteverfassung nachzuweisen. Man begreift, dass der Glanz und die universelle Bedeutung der bürgerlichen Gemeinwesen Italiens Sie vor allem anzog. Aber wie es die germanischen Elemente waren, die dabei ihr Recht erhielten, so sind die Ergebnisse dieser Studien sofort und unmittelbar auch der vaterländischen Geschichte in hohem Grade zu gut gekommen.

Wenn Sie noch weiterhin einen hervorragenden und erfolgreichen Antheil an der Kritik wichtiger historischer Quellen jenes Nachbarlandes gehabt, die der Verfassungsgeschichte wie dem litterarischen und allgemein-politischen Gebiete angehören, so war Ihre umfassendste Thätigkeit doch den Heimischen Aufzeichnungen bürgerlichen Lebens zugewandt. Sie haben dabei sich nicht beschränkt auf eine mit allen Mitteln der Technik durchgeführte Herausgabe von chronikalischen und urkundlichen Denkmälern4; auch die Verwerthung derselben auf dem verfassungsgeschichtlichen Boden war das erste Recht dessen, dem die vollste und zugleich reifste Kenntniss der dazu gehörigen Stoffe zur Verfügung stand. Und so verdankt Ihnen eine Anzahl deutscher Städte zugleich den kritischen Aufbau eines reichen Bildes ihrer innern Einrichtungen. In die gegebenen Fusstapfen sind dann auch jüngere Kräfte eingetreten, die sich unter Ihnen vereinigt haben um Ihre Sammlung zu fördern, und das grosse Werk wird für immer eine Fundgrube bleiben für die nationale Historiographie des Bürgerthums.

Dem, was die Wissenschaft von Ihnen noch zu erwarten hat, sieht sie voll Hoffnung entgegen. Mit der Zahl der Jahre, die wir hinter uns bekommen, gewinnen die Stunden an Werth, ehe wir noch vor uns sehen. Sie sind unschätzbar bei einem geistigen Leben wie dem Ihrigen. Wir freuen uns schon jetzt, die Früchte derselben reifen zu sehen, und unsere Wünsche sind mit Ihnen, mit Ihrem Leben und Ihrer dauernden Wirksamkeit.