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Karl Hegel an Alfred Reumont, Erlangen, 27. September 1874

pr. Bonn 28 09 74.

Hochverehrter Herr!

Mit vielem Antheil und reicher Belehrung habe ich vor wenigen Tagen Ihren trefflichen Artikel über Bonaini in der Augsburger Allgemeine Zeitung gelesen.1 Ihnen verdanke ich es am meisten, wenn ich von Zeit zu Zeit von den neusten Erscheinungen der italienischen historischen Literatur Kenntniß erhalte. Denn selbst die Münchener Bibliothek, die mir zur Verfügung steht, ist damit nur sehr mangelhaft versorgt. Wie beneide ich Sie oft darum, daß es Ihnen vergönnt ist, jene genußreichen Studien, denen auch ich mich einst zugewendet hatte, fortzusetzen, und sich mit bedeutenden literarischen Arbeiten auf diesem Gebiet zu bethätigen!

Nur bisweilen finde ich mich dringend veranlaßt meine eigenen darauf bezüglichen Studien weiter aufzunehmen: so jetzt durch das Buch von Scheffer-Boichorst.2 Ich finde, daß die Kritik gegen Dino Compagni mit zu großer Sicherheit auftritt, aber es ist schwer sich mit ihr abzufinden. In einem für die historische Zeitschrift bestimmten Aufsatz bin ich ernstlich damit beschäftigt, mich mit ihr auseinander zu setzen. Gern möchte ich noch die Publication des 3. Hefts von Isidoro del Lungo, worin außer dem 3. Buch des Dino auch noch urkundliche Belege versprochen sind, abwarten, doch sie scheint ad Graecas Calendas verschoben. Unterdessen möchte ich mir von Ihnen über einen einzelnen Punkt gütige Auskunft erbitten. Für Guido Cavalcanti citirt Scheffer Boichorst das Buch von Terenzio Mamiani, welches er sich nicht hat verschaffen können. Also ist es sicher nicht in Berlin und nicht in München, auch nach Göttingen habe ich vergebens geschrieben. Können Sie mir wohl Druckort und die Verlagsbuchhandlung, ich vermuthe in Turin, angeben, damit ich mir das Buch kommen lasse?

Man weiß nichts Sicheres über das Alter von Guido Cavalcanti. Habe ich Recht zu sagen, daß man in Italien den Begriff giovane sehr weit, viel weiter als wir den von Jüngling, ausdehnt, daß man dort eigentlich nur die beiden Altersstufen giovane und vecchio bestimmt unterscheidet, und daß man wohl noch einen gut aussehenden Vierziger als giovane bezeichnet? Ich meine mich von Italien her eines ähnlichen Falls aus dem gemeinen Leben zu erinnern. –

Ich setzte voraus, da dieser Brief Sie in Bonn antreffen wird. Wenn Sie die Güte haben, ihn zu beantworten, so bitte ich nach München, Goldener Bär , zu schreiben, wo ich bei der Historischen Commission3, dann bei der Prüfungs-Commission für Schulamtscandidaten den ganzen October über verweilen muß.

Mich Ihrem fortdauernden freundlichen Andenken empfehlend verbleibe ich
mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Carl Hegel.