Entschuldigen Sie die Verzögerung meiner Antwort. Ich habe erst verschiedene Erkundigungen einziehen müssen und die Leute nicht gleich antreffen können. Der beste Gedanke ist mir erst zuletzt gekommen. Einen Spediteur nämlich haben wir hier nicht, sondern nur einen sogenanntenGüterschaffer, der auf seinem Wagen die Güter von der Eisenbahn in die Häuser bringt und damit den ganzen Tag sehr beschäftigt ist.
Diesem möchte ich die Besorgung Ihrer, wie es scheint, ziemlich zahlreichen Effecten daher nicht anvertrauen. Das Beste und Sicherste ist, Sie adressiren die ganze Sendung an unseren UniversitätspedellenThurnNotabene Thurn1, der ein gewandter und sicherer Mann ist und in der Ferienzeit auch die nöthige Zeit hat. Er | besorgt einen Möbelwagen und nimmt zwei Packer an, macht dafür die Auslangen und beaufsichtigt den Transport. Ich habe heute mit ihm gesprochen und er ist zu allem bereit. Für alle Auslagen stellt er Rechnung; für seine Bemühungen würden meines Erachtens 5 Mark als Vergütung ausreichen. Auch mit Frau Fleischmann habe ich Rücksprache genommen; die Zimmer stehen jederzeit zur Disposition2; sie wird darauf sehen, daß die Sachen gut heraufgebracht werden. So können Sie vollkommen ruhig sein.
Ich kann mich leider nicht dazu erbieten, mich selbst der Sache anzunehmen, wie ich gern thun würde, wenn ich hier wäre. Allein ich stehe auf dem Sprung mit meiner armen brustkranken Frau3 nach dem südlichen Tirol zu reisen, wo sie längere Zeit verweilen soll, und warte nur etwas besseres Wetter ab, denn wir stecken noch im Schnee der | zu einer großen Wassermasse aufthaut, nachdem wir vor ein paar Tagen morgens 12 Grad Kälte hatten.
Ich freue mich, daß die BerufungVollmöller’s so rasch erfolgt ist wie ich erwartet hatte, und daß er angenommen hat. Seine Bedingungen machen nicht die geringste Schwierigkeit. Kißner ist bereits fort nach Paris.
Bestens grüßend
der Ihrige C. Hegel.
1 Am Rand noch einmal in Schönschrift geschrieben. 2Ältere sprachliche Wendung für: „zur Verfügung stehen“. 3Susanna Hegel war zu dieser Zeit schon schwer erkrankt, vgl. dazu Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 225 ff.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (GNM), Historisches Archiv: Akten, K. 9: 1 Bd. „Matrikel des GelehrtenAusschusses“; K. 10: Nr. 3; K. 188: Bibliothek, Schenkungen 1878-1881, 1 Mappe Korrespondenzen (unfoliiert); Akten, Nr. 750: 1 Bd. „Verwaltungsausschuß Jahreskonferenz 1901“
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GNM Nürnberg1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Thurn, N. N.-um 1877 wirkendThurn, N. N., war in den 1870er Jahren Pedell an der Universität Erlangen.
Vollmöller, KarlKarl Vollmöller10132835418481922Vollmöller, Karl (1848–1922), in Ilsfeld in der Nähe Heilbronns geborener Neuphilologe (Anglistik und Romanistik), der von 1870 bis 1875 an den Universitäten Tübingen, Bonn, München und an der Sorbonne in Paris Klassische, Germanistische und Romanische Philologie studierte und sich 1875 an der Universität Straßburg habilitierte. Im Jahre 1877 wurde er außerordentlicher Professor für Romanische und Englische Philologie an der Universität Erlangen, bevor er 1881 auf das neuphilologische Ordinariat an der Universität Göttingen berufen wurde, das er zehn Jahre später aus privaten Gründen aufgab. Er zog mit seiner Familie nach Dresden, wo er als Privatgelehrter, Herausgeber, Autor und Stifter wirkte. Unter anderem begründete er die Zeitschrift „Romanische Forschungen“ und veröffentlichte eine Vielzahl wissenschaftlicher Schriften.
Kißner, Alfons Paul Eduard 11619374318441928Kißner, Alfons Paul Eduard (1844–1928), wirkte von 1875 bis 1877 als ordentlicher Professor für Neuere Sprachen sowie als Lektor für Französisch in Erlangen, anschließend folgten Stationen in Königsberg (1877–1901) und Marburg (1901–1905) bis zu seiner Emeritierung.
Tirol (Tyrol)Inmitten der Alpen im westlichen Österreich und an der Nordgrenze Italiens gelegene Landschaft, vom Inn als größtem Fluß durchflossen. Der Paß über den 1370 Meter hohen Brenner gehört zu den wichtigsten Alpenübergängen, der auch die Hauptorte Innsbruck im Norden und Bozen im Süden miteinander verbindet.
Paris48.8588897,2.3200410217200766An der Seine gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Frankreich.
GüterschafferAuslieferer, Warenzusteller als männliche Person, die Güter gegen Bezahlung von einem Ort zum anderen schafft, Betreiber oder Mitarbeiter eines Lieferdienstes, der allerdings nicht so professionell arbeitete wie ein Spediteur bzw. ein Speditionsunternehmen, welche im 19. Jahrhundert noch eine Seltenheit waren und nicht in jeder Stadt oder anderen jeweiligen Orten – so auch nicht in Erlangen – zu finden waren.
UniversitätspedellHausmeister einer Universität, auch im Sinne von Universitätsdiener oder -bote, der zumeist auch für akademische Strafen zuständig war, weswegen auch der Karzer zu seinem Aufgabengebiet gehörte.
Notabene, nota beneAus dem Lateinischen stammende formelhafte Redewendung mit der wörtlichen Bedeutung „merke wohl“ in Sinne von „wohlgemerkt“ oder „übrigens“ und „nebenhergesagt“.
Möbelwagen (Pferde-)Umzugswagen oder -kutsche; im 19. Jahrhundert war der von Pferden gezogene Umzugswagen, der entsprechend abgefedert und gepolstert war, eine luxuriöse Rarität, von denen es nur wenige gab und die sich nur wenige Menschen haben leisten können; auch professionelle Speditionen und Umzugsunternehmen waren noch eine Seltenheit; für längere Strecken wurden die Umzugsgüter zunächst mit der Eisenbahn transportiert, bevor sie dann mit entsprechenden Wagen zu der jeweiligen neuen Unterkunft transportiert wurden.
PackerMöbelpacker; professionelle, auf Umzüge spezialisierte Möbelpacker waren im 19. Jahrhundert noch eine Rarität, genauso wie Speditionen und Umzugsunternehmen.
MarkIm Jahre 1871 eingeführte Währung des Deutschen Reiches, die in 5, 10 und 20 Stücken geprägt wurde. Da sie eine zu einem Drittel goldgedeckte Währung war, wurde sie auch als Goldmark bezeichnet.
BerufungHier im Sinne von: Ruf auf eine Professur und damit Angebot für ein wissenschaftliches Amt.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis