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Hermann Friedrich Stannius an Karl Hegel, Rostock, undatiert 1849

Hierbei empfängst Du, lieber Hegel, einige Zeilen für Deine Zeitung. Ich lese sie eifrig, finde sie aber leider sehr blaß, so blaß, wie bisweilen Deine Wangen in früherer Zeit. Freilich: gut Ding will Weile haben und es gibt gegenwärtig in Mecklenburg nicht viel Stoff. Noch blasser als Deine Zeitung ist übrigens unser constitutioneller Club, dessen Ohnmacht bald in vollständigen Tod überzugehen droht. Du kennst seine Candidatenliste! Ach und die letzte Sitzung! Es war rührend. – Der Reformverein ist äusserst thätig.2 Gewählt werden sollen Tagelöhner Düwel, Maurer Bartholomaei, Schuhmacher Lange, Advokat Otto, Advocat Seitz, Dr. Ernst, Dr. Brummerstedt. Und Du Wortgewaltiger der Freiheit wirst übergangen, wirst bekatzenmusikt3, wirst verhöhnt! Das ist das Loos des Schönen auf der Erde – Consistorialrath Wiggers liebäugelt im Concil mit Türk, gibt dem Bartholomaei und Frau Diné’s4 und schleicht bei dem Adel, wie sonst Freund Ackermann hat, Advocat Klooss gegenüber, seinen Wählern einen Speech gehalten, wie ein Volksmann 5. Moritz Wiggers, Kloss und August Weber durchziehen reformend das Land, wozu Brockelmann das Geld gibt. Ein Kaufmann Wiggers, Sohn des Landssekretairs, ist Makler6 geworden für Padderatz, dessen Schwiegersohn er wird und also sein Geschäft fortsetzen kann. Wiggers for ever!

Ich bin in Jena gewesen, bin in die Commission gewählt worden, habe mich eine Zeitlang in Dresden aufgehalten und bin vor 8 Tagen heimgekehrt. Dich habe ich nicht besucht, weil ich fürchtete Dich zu stören, indem ich Mittags durch Schwerin kam. Nun muß ich Ostern7 nach Heidelberg. –

Die Meinigen traf ich wohl. Mein kleines 8 war indessen vorgestern sehr krank. Sie hatte einen heftigen Croup-Anfall. Nun geht’s wider gut.

Ihering ist noch nicht zurück; Leist kränkelt. Sonst nichts Neues. Thoel wird wol noch gewählt werden. Meine Frau grüßt Dich bestens und ich bleibe

von Herzen
Dein
Stannius