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Hermann Friedrich Stannius an Karl Hegel, Rostock, undatiert 1849

Dein Brief2, mein lieber Hegel, würde mir ein Zeugniß Deines Lebens geworden sein, vernähme ich nicht täglich Lebenszeichen von Dir durch Deine Zeitung. Deine Grüsse sind augenblicklich bestellt, da in einer Gesellschaft bei Köster‘s dazu Gelegenheit sich bot. Frau Thöl, die wie eine Königin von Dir empfangen werden soll, fühlt sich ob dieser Nachricht in peinlicher Stimmung. Solltest Du etwa in Schwerin Republikaner geworden sein, so sieht sie durch Dich ihr Leben gefährdet; bist Du demokratisch-constitutionell, so sieht sie einem sehr gleichgültigen, indifferenten Empfang entgegen; nur wenn Du dem absoluten Königthum huldigen solltest, kann sie erwarten würdig empfangen zu werden. Also vor Allem Dein politisches Glaubensbekenntniß. Ueber letzteres sind Viele im Unklaren, namentlich wegen Deiner Berliner und Wiener Artikel. Es gibt hier wirklich Leute, die in Dir einen Republikaner wittern, wie ich noch gestern zu vernehmen Gelegenheit hatte.

Im Ganzen ist es hier langweilig und verspricht es mehr und mehr zu werden. Leist’s leben in großer Abgeschlossenheit; Ihering ist ungenießbar. Von einem näheren Umgange wird also, namentlich nach Thöl’s Entfernung3, kaum mehr die Rede sein, wenn ich etwa das mit meinen guten Nachbarn Köster’s ausnehme.

Dabei fühle ich mich zu eigentlich wissenschaftlicher Thätigkeit nicht aufgelegt, wenn ich gleich nicht ohne Eifer meine Vorlesungen halte. Auch das könnte durch die sich häufenden Nachrichten über beabsichtigte Aufhebung der Universität Einem noch verleidet werden. Eine Gewißheit darüber würde viel weniger quälend sein, als dieses beständige Schwanken zwischen Furcht und Hoffnung.

Ich sende Dir eine kurze Mittheilung für Deine Zeitung, in der auch der Universität Erwähnung geschieht. Vielleicht wird das Eine oder das Andere dadurch veranlaßt, ihre Fortexistenz zur Sprache zu bringen.

Die Meinigen sind wohl; wie haben seit einiger Zeit Besuch bei uns, in der Tochter des Superintendenten 4. Meine Frau grüßt Dich herzlich.

Schreib nächstens
Deinem Hermann Stannius
Grüsse Ackermann und Buchka!