Der Vater und die Mutter haben uns gesagt daß Du wünschest einen Brief von uns zu bekommen darum wollen wir Dir schreiben. Ich will Dir erzählen wie es bei uns steht.
Die Mutter sagt daß Du Dich für alles intereßirst was bei uns vorgeht. Unsere Mutter ist jetzt sehr wohl, sie war vergangenen Winter sehr krank; wir bekamen damals einen kleinen Bruder, welcher aber nach 24 Stunden starb weil er noch zu klein und zu schwach war. Der Vater ist jetzt auch recht wohl; er hat vergangenen Herbst eine Reise nach Wien gemacht wo er recht | vergnügt war und recht viel Schönes gesehen hat. Ich und Imanuel gehen auf das französische Gymnasium. Ich bin jetzt in Quarta und hoffe zu Michaely nach Tertia versetzt zu werden. Die meisten Gegenstände werden in meiner Klasse auf französisch vorgetragen. Die Hauptgegenstände sind: Griechisch, Latein, Religion, Mathematick, Französisch. Unser Director ist Herr Palmié. Außerdem haben wir schon 2 Jahre Klavierunterricht bei Herrn Logier einem Engländer2 von dem Du wohl schon gehört haben wirst, bei welchem 14-15 Schüler verschiedene Stücke gleichzeitig spielen, welche alle zusammenpaßen | und wo man zugleich die Theorie des Generalbaßes lernt, wir sind jetzt aber ausgetreten weil Herr Logier wieder nach England ist und haben jetzt Privatunterricht. Am siebenten Juni war mein zwölfter Geburtstag wo ich sehr viel schöne Sachen bekommen habe auch eine prächtige goldenen Uhr von der Großmutter, welche mein Großonkel der HauptmannKarl von Tucher von Friedrich Wilhelm II dem Vater unsers Königs geschenkt bekommen hat im Jahre 1791, von diesem hat sie mein Onkel Karl bekommen, wie er ihn auf seinem Feldzug nach Rusland in Dresden besuchte, er hat sie bei sich getragen in der Schlacht bei Polatzk3 wo er den 22ten4| August 1812 gefallen ist. Als seine Sachen verkauft wurden kaufte sie ein Soldat vom Regiment und die Großmutter kaufte sie ihm auf dem Rückmarsch über Nürnberg wieder ab und hat die gute Großmutter sie mir geschenkt. Diese Uhr ist mir daher auch sehr lieb und ich werde sie wie ein Heiligthum aufbewahren. Die Großmutter dachte sie mir selbst geben zu können, sie wünschte sehr daß wir zur Hochzeit der Luise kommen sollten aber der Weg ist zu weit und es kostet zu viel. Ich wünsche Dir daß Du gesund bleiben und lieb behalten mögest Deinen
Neffen Carl Hegel.
1Ohne Ort und ohne Datum - Ergänzung des Jahres auf dem Brief nachträglich durch andere Hand, wobei verbessert „1824“ zu „1825“; Ort anhand des Kontextes erschlossen. 2Johannes Bernhard Logier (1877-1846), Musikpädagoge und Komponist, wurde in Kassel geboren und stammte aus einer Hugenottenfamilie, ging 1791 nach England, wo er sich als Musikpädagoge auch durch entsprechende Vermarktung seines innovativen musikpädagogischen Systems einen Namen machte. 1822 siedelte er nach Berlin über, wo er bis 1826 blieb und im Auftrag des Königs Elementarlehrer ausbildete, die sein System in Preußen unterrichten und verbreiten sollten. 3Es gab im Rahmen des Russland-Feldzuges zwei Schlachten bei Polazk, die erste fand im August, die zweite im Oktober des Jahres 1812 statt; anhand des Kontextes ist hier die erste gemeint. 4Doppelte Unterstreichung.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (StBPK), Berlin
NL Hegel 15, Fasz. IV, 3.
SBPK Berlin1000
Hegel, Georg Wilhelm FriedrichGeorg Wilhelm Friedrich Hegel https://www.deutsche-biographie.de/sfz28648.html#ndbcontent11854773917701831 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph, Ehemann Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), Vater Karl und Immanuel Hegels , von 1808 bis 1816 Gymnasialrektor und Schulrat in Nürnberg, ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie von 1816 bis 1818 an der Universität Heidelberg und von 1818 bis 1831 an der Universität Berlin.
Hegel, N. N.-Winter 1824/25Winter 1824/25Hegel, N. N. (* † Winter 1824/25), Sohn Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1880–1831) und Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), im Winter 1824/25 geborener jüngerer Bruder Karl Hegels (1813–1901), der kurz nach der Geburt verstarb; die Mutter war infolge dieser Schwangerschaft/Geburt schwer erkrankt gewesen.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Palmié, Rodolphe104145595Palmié, Rodolphe, war Religionslehrer und Direktor des Königlich Französischen Gymnasiums in Berlin, das Karl Hegel von 1822 bis 1830 besuchte.
Logier, Johannes Bernhard10422400217771846Logier, Johannes Bernhard (1777–1846), Musikpädagoge, war zeitweise Lehrer Karl Hegels (1813–1901) in Berlin.
Haller, Susanna Maria, verh. Tucher Susanna Maria Haller, verh. Tucher-17691832Haller, Susanna Maria (1769–1832), Großmutter Karl Hegels (1813–1901) mütterlicherseits und damit auch Großmutter von Karl Hegels Frau, Susanna Maria Hegel, geb. Tucher (1826–1878). Susanna Maria Haller war verheiratet mit Jobst Wilhelm Tucher (1762–1813).
Tucher, Karl Friedrich-17541824Tucher, Karl Friedrich (1754–1824), Großonkel Karl (1813–1901) und Immanuel Hegels (1814–1891), Hauptmann der sächsischen Garde, der als Ehrengeschenk des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. eine goldene Uhr erhielt, die später Karl Hegels (1813–1901) 1812 gefallener Onkel Sigmund Friedrich Karl von Tucher (1792–1812) erhielt und dann Karl Hegel als Geschenk der Großmutter zu seiner Einsegung (Konfirmation) am 8. April 1829 als Andenken an ihren früh verstorbenen Sohn und Onkel ihres Enkels.
Friedrich Wilhelm II., König von Preußen11869362X17441797Friedrich Wilhelm II. (1744–1797), war von 1786 bis 1797 König von Preußen.
Friedrich Wilhelm III., König von Preußen11853598617701840Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), war von 1797 bis 1840 König von Preußen.
Wien48.2083537,16.3725042An der Donau gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Österreich.
EnglandNeben Schottland, Wales und Nordirland der größte Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien mit London als Hauptstadt.
RußlandZarenreich im Osten Europas, das sich über den Ural hinweg bis an die Westküste des Stillen Ozeans erstreckt.
Dresden51.0493286,13.7381437An der Elbe gelegene Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Sachsen.
Polotzk, Polozk55.4854656,28.7682339Etwa 1700 Kilometer nordöstlich von Nürnberg an der Düna gelegene Stadt, wo im Jahre 1812 zwei Schlachten zwischen russischen und bayerischen Truppen als Verbündete der Armee Napoleons stattfanden. Während sich die bayerische Armee in der ersten Schlacht noch unter schweren Verlusten behaupten konnte, ging die zweite Schlacht im Oktober 1812 verloren.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Französisches Gymnasium (Berlin)Das „Collège Royal François“ wurde im Jahre 1689 vom Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713), ab 1701 König Friedrich I. in Preußen, für die Kinder der eingewanderten Hugenotten gegründet. Zu seinen Schülern und Absolventen gehörten auch die Söhne des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), Karl (1813-1901) und Immanuel Hegel (1814-1891).
QuartaDritte Jahrgangsstufe am Gymnasium nach Sexta und Quinta.
Michaelis (Michaeli)Michaelistag als Fest des heiligen Erzengels Michael und aller Engel nach römisch-katholischer, anglikanischer und teilweise auch protestantischer kirchlicher Tradition am 29. September.
TertiaAls Unter-Tertia und Ober-Tertia die vierte und fünfte Jahrgangsstufe am Gymnasium.
Schlacht bei Polazk, ErsteIm Rahmen des napoleonischen Russlandfeldzuges am 17./18. August 1812 im russischen Polazk (heute Belarus) stattgefundene Schlacht, an der auch königlich-bayerische Truppen teilgenommen hatten.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis