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Moritz Carrière an Karl Hegel, München, 8. Mai 1887

Hochgeehrter Herr College!

Mögen Sie den unter Kreuzband folgenden Aufsatz wohlwollend aufnehmen, und mir ein offenes Wort über den Eindruck schreiben den er Ihnen machte. Mich drängt es zu dem was ich im Schlußband meiner Kunst im Zusammenhang der Culturentwicklung über Hegels Stellung in der Geschichte des Geistes gesagt, diese mehr individualisierten Bemerkungen ergänzend anzufügen, und dem nachwachsendem Geschlecht, das von dem großen Denker wenig weiß und über ihn heraußen sein wähnt, einmal klar zu sagen, daß es noch lange nicht bei ihm angekommen ist und ohne zu wissen von Brosamen zehrt, die von seinem Tische gefallen sind. Haben Sie bemerkt wie Ed. Erdmann in der Geschichte der Aesthetik fast Kant die Hegelsche hervorsetzt? Auch Conrad Hermann in Leipzig spricht aber in den Blättern für litterarische Unterhaltung vom Briefwechsel. Vielleicht daß Goethes Autorität Einigen die Augen öffnet.

Vielleicht sehen wir uns im Herbst wieder hier?

Leben Sie wohl!
Hochachtungsvoll Ihr ergebenster
Moritz Carrière