XML PDF

Karl Eduard Liphart an Karl Hegel, Florenz, 11. Juli 1875

Hochverehrter Herr Professor,

Ihre schöne Gabe2 welche mir gestern herkam hat mich aufs Freudigste überrascht. Eine neue Publication Fanfani’s, La critica storica de’nonni, welche mir vor etwa 14 Tagen in die Hände fiel, ließ mich wieder an Sie denken, ja an die Zusendung dieses neuen Schriftchens; indes schien mir dasselbe als ich es durchlief nichts Neues fa cattoltes3, sondern neu Aufgewärmtes. Jetzt wo mein Intereße durch Ihre Gabe wieder angeregt ist, meine ich: was soll’s? Professor Hegel wird ja besser wissen, ob etwas draus zu holen oder – so erlaube ich mir denn Ihnen das Schriftchen unter Xband4 zuzusenden.

Darf ich, an Bei, Ihnen sagen, daß Ihre Schrift mich im höchsten Grade interessiert und – lachen Sie nicht über das Wort: erbannt hat?

Mich erbannt nämlich, daß es Ihrem gesunden Sinn und scharfem Blick gelang dann doch so manches unabwendlich erscheinende Argument auf einen sehr genialen Werth als Beweismittel zu reduciren und so denn doch noch immer die Möglichkeit, ja mehr, die Wahrscheinlichkeit eines ächten Revers in Mitten eines Wustes von Verstimmung, Verballhornung etc. des od. vielleicht die Abschreiber so erreichen. In einer Zeit wo die zerstörende Kritik – allerdings sehr, sehr oft mit vollstem Recht, sich breit macht, eben aber breit macht, was nie zu billigen, thut’s wohl zu erfahren, daß dieselbe nicht so absolut infallibel ist als sie sich dänkt.

Ich kenne den ehrwürdigen Gino Capponi nicht, auch der Gedanke, den Greis zu belästigen ist mir sehr widerwärtig; und doch wünschte ich, er möchte Ihre Schrift kennen lernen, die ihm sicher noch mehr Freude machen wird, als mir, da er competent in der Sache ist. Eine heftige Erkältung fesselte mich ein paar Tage an Bett und selbst heute werde ich kaum im Stande sein mich hinauszubegeben; aber ich habe größtes Verlangen, einen Weg zu finden um dem alten Starken Ihr Werk zukommen zu lassen. Dann, versteht er Deutsch? Gerne übersetze ich ihm, sollte er es anerbieten, mündlich die wichtigen Stellen ins Französische, denn mein Italienisch möchte ihm doch die Ohren arg vernichten.

Addio. Nochmals Dank für Ihre Liebe, schöne Gabe und herzlichste Empfehlung von
Ihrem
aufrichtig ergebenstem
Karl Eduard Liphart –

der so gerne einmal von Ihnen hörte in hier5 Florenz! / Kommen Sie doch zu dem Michelangelo-Feste her.

Aufrichtige, hochachtungsvolle Grüße Professor Heigeln6, Professor von Raumern.