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Karl Hegel an Georg Heinrich Pertz, Erlangen, 12. Dezember 1859

Hochgeehrter Herr Geheimerrath!

Ich erlaube mir, Sie an die freundlich gegebene Zusage zu erinnern, wonach Sie ein Verzeichniß der in der Berliner Bibliothek befindlichen Handschriften von Stadtchroniken für mich anfertigen lassen wollten. Für den gegenwärtigen Zweck meiner Arbeit wird mich schon ein bloß auf die Nürnberger Chroniken1 sich beschränkendes Verzeichniß zufrieden stellen, und würde ich zunächst nur darum bitten, wenn sich die weiter ausgedehnte Arbeit noch länger verzögern sollte. Es versteht sich, daß mir mit der Anführung der Handschriften nur dann gedient ist, wenn die nothwendige Angaben über Alter und Umfang desselben, Anfang und Ende (nicht zu knapp bemessen) und Titel dabei nicht fehlen, damit sich die Identität mit andern leicht und sicher constatiren lassen. –

Mein fleißiger Mitarbeiter Dr. von Kern ist jetzt eifrig in Nürnberg selbst mit Untersuchung der Handschriften beschäftigt; ich habe den Ulman Stromer in Arbeit, bin aber sehr gehemmt durch das Ausbleiben der Wolfenbüttler Handschrift, auf welche ich nun, wie vorher auf die Antworten des Herren Dr. Bethmann, mit Schmerzen warte.

Außerdem habe ich bestätigt gefunden, was Sie mir nach Ihrer Erfahrung sagten, daß man von den Localhistorikern nur wenig brauchbare Arbeiten erwarten dürfe, und ich bin um so mehr genöthigt, mich nach einem zweiten Mitarbeiter umzusehen, um das Unternehmen rascher zu fördern.2

Unser Bureau in München3 hat uns häufig mit Zuschriften bedacht. Überrascht hat mich dessen letzte Mittheilung in Betreff der Geschichte der Wissenschaften4, die ich bis dahin nur für ein ziemlich luftiges Project ansah. Der Plan, wie er vorliegt, ist doch wirklich noch sehr unreif, und es ist schwer für die einzelnen Fächer Vorschläge zu machen, wenn man über deren richtige Auswahl und Begrenzung noch so wenig im Klaren ist; ich habe meine hierauf bezüglichen Bedenken gegen das Bureau ausgesprochen.

Vor einigen Tagen hat mich Herr von Liliencron besucht auf der Rückreise, nachdem er zwei Wochen lang in München das Schmellersche Handschriften Verzeichniß für seine Liedersammlung benutzt hat; ich konnte ihm die schöne und reichhaltige Liederhandschrift von Valentin Holl bei Merkel in Nürnberg nachweisen.

Für die Stadtrechte hat Dr. Kern auf seiner Reise durch Franken, die er für meine Zwecke machte, Manches aufgezeichnet, was er nun zusammenstellen will; er bedauert nur, daß er es nicht vollständiger gethan hat, weil er nur beiläufig davon Kenntniß gewonnen, ehe von einer Sammlung der Stadtrechte die Rede war. –

Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr
aufrichtig ergebenster
Carl Hegel.