Liebster Freund!
Nachdem ich den traurigen Anlaß des Todes Deiner von uns so hoch verehrten lieben Mutter1 über dem Drange gehäuftester Arbeit hatte vorübergehen lassen, ohne meinen Vorsatz, Dir unser inniges Mitgefühl auszusprechen zur Ausführung zu bringen, bietet mir nun Dein Brief2 einen erfreulichen Anlaß, Dir zu schreiben, und vor allem Dir zu sagen, welche Freude mir die Aussicht ist, Euch in unserm Erlangen zu bleibender Gemeinschaft zu begrüßen. Möge meine Beantwortung Deiner Fragen nur die Einleitung eines dauernden Verkehrs seyn, welcher uns beiderseitig das vor vierzehn Jahren3 begonnene Freundschaftsverhältniß zwischen uns im stetigen Austausche persönlicher Gemeinschaft aufs neue pflegen lasse!
Es hat Dich befremdet, daß unser Magnificus4 nur der allerhöchsten Entschließung und der darauf erfolgten Weisung des Ministeriums gedachte, und nicht eines Antrags der Fakultät und des Senats, Dich zu berufen. Folgendes diene Dir zur Erklärung! Es war von Anfang an nicht unser Vorschlag, sondern des Königs Wille, daß eine zweite Professur der Geschichte an unserer Universität5 errichtet werde, und zwar wollte der König sie auch gleich mit dem Dr. Floto besetzt wissen. Das Ministerium erreichte aber, daß erst unser Gutachten eingeholt werde, und dieß fiel Seitens der Fakultät gegen Floto und für Häuser aus, da wir sicher hörten, daß letzterer zu gewinnen seyn dürfte. Auf Häuser wurde das Augenmerk durch die Erwägung gerichtet, daß es an unserer Universität, wo durch die Hausbackenheit Böttiger’s der Sinn für Geschichtswissenschaft unter den Studierenden in die traurigsten Abnahme gerathen war, einer besonders glücklichen Gabe anregenden Vortrags bedürfe, um darin eine Wandlung zu beschaffen. Was diese Gabe betrifft war der Fakultät gleichzeitig Thomas in München von den verschiedensten Seiten so dringend empfohlen worden, daß sie ihn nächst Häuser und als dieser schließlich ablehnte, anstatt seiner in Vorschlag brachte. Der König aber ging darauf nicht ein, sondern ordnete Deine Berufung an, welche dann ohne weitere Vernehmung der Fakultät sofort ins Werk gesetzt wurde. So der Verlauf der Sache, welcher Dir die Fassung des Schreibens erklären wird, das an Dich ergangen ist. Wäre aber der Senat oder die Fakultät Dir entgegen, so würde die Berufung nicht ohne Weiteres vollzogen werden. Du kannst der freundlichsten Gesinnung gewiß seyn, und es wird lediglich von Dir abhängen, Dir die günstigste Stellung hier zu schaffen. Denn daß die neue Professur wider den Willen, obwohl ohne Widerspruch, Böttiger’s errichtet wird, ist ohne Belang bei der gänzlichen Einflußlosigkeit desselben. Senat und Fakultät und Studentenschaft sehen mit Sehnsucht eine Neubelebung historischer Studien entgegen. Daß auch die Studentenschaft Verlangen darnach trägt, sah man bei Rudolf von Raumers Vorlesungen über Geschichte der Zeit vom Abfall Nordamerika’s an, welche immer von 50 bis 70 Zuhörern besucht wurden. Übrigens stehen die beiden Professuren der Geschichte einander völlig gleich. Ob die bisherige nach Böttiger’s etwaigem Rücktritte oder Tode wieder besetzt werden wird, dürfte lediglich von dem Erfolge abhängen, welchen die Wirksamkeit des neuen Lehrers gewonnen hat. Ich glaube nicht, wiewohl höchsten Orts begreiflicher Weise nichts darüber ausgesprochen ist, daß man einem erfolgreichen Lehrer der Geschichte einen zweiten zur Seite geben würde. Was die Fakultätsprüfungen anlangt, so würdest Du Dir die Gleichberechtigung bei denselben ausbedingen müssen, weil dieß ein bis jetzt nicht zur Sprache gekommener Punkt ist. Einnahmen gewährt die Theilnahme an diesen Prüfungen nicht, die seltenen Promotionen natürlich abgerechnet.
Dieß führt mich auf den Betrag des zu fordernden Gehalts. Der gewöhnliche Gehalt eines Ordinarius6 ist bei uns 1200 Gulden. Doch haben in Folge von Zulagen oder bei Berufungen in Folge höherer Forderungen die meisten ordentlichen Professoren einen größeren Gehalt. Der höchste beträgt 2000 Gulden. Damit bin ich berufen worden und habe es nachmals oft von meinen Collegen hören müssen, daß ich besser gestellt sey, als sie. Seit dem ist Delitzsch mit 1600 florin7 berufen worden, Harnack mit 2000 florin, Kahnis eben jetzt mit 1800 florin8. Der Betrag der Honorarien ist sehr verschieden. Da für unsere Inländer Studienfreiheit besteht, und nur jeder nachweisen muß, daß er acht der Zweige der philosophischen Fakultät angehörige Vorlesungen gehört hat, so kommt es ganz darauf an, welchen Beifall der Lehrer selbst gewinnt. Dieß um so mehr, als die größte Honorarieneinnahme von den Ausländern zu erwarten stünde, wenn es gelänge, sie anzuziehen, indem die Inländer wohl zur Hälfte vollständige oder theilweise Befreiung von der Honorarienentrichtung genießen. Der Betrag der Honorarieneinnahme ist unter diesen Umständen ein überaus verschiedener, bei einzelnen bis zu 1500 Gulden jährlich, bei anderen nicht der Rede werth. Bei einem Gehalte von 1600 oder 1800 florin bedarf man aber schon einer erheblichen Honorariensumme, um mit Familie anständig zu leben. Es ist in unserm Erlangen immer theurer geworden. Delitzschens, welche auch vier Kinder haben und nichts weniger als üppig leben, dürften schwerlich mit 2500 forin ausreichen. Was bei einer so bemessenen Einnahme an Pensionsabzügen, Steuern und städtischen Armenverpflegungsbeiträgen abgeht, beläuft sich auf etwa 70 florin, ungerechnet die vielen Ansprüche an die private Wohlthätigkeit in dieser armuthreichen Stadt.
Die Sicherung der Relikten betreffend, so geschieht dieselbe theils durch die Staatspension, theils durch die Professorenwittwenkasse, durch letztere aber, obgleich alle Professoren beitragen müssen, nur unter der Voraussetzung, daß das Beitrittsgeld von 100 florin entrichtet worden ist. Aus letzterer bekommt eine Wittwe gegenwärtig ungefähr 150 florin jährlich. Die Staatsdienerpension für Wittwen und Waisen berechnet sich nicht nach dem Standesgehalt, sondern nach der gesammten Besoldung, von welcher die Wittwe ein Fünftheil und jedes Kind bis zur Volljährigkeit ein Fünftheil des Fünftheils bekommt, so daß also bei fünf Kindern die Pension für Wittwe und Waisen zwei Fünftheile der Gesammtbesoldung ausmacht. Daß dieser Pensionsanspruch bei einem während des Provisoriums eintretenden Todesfalle nicht Statt habe, ist eine nicht blos theoretisch bestrittene, sondern auch praktisch nicht befolgte Auslegung des vom Provisorium handelnden Abschnitts unserer Dienstpragmatik. Daß bei Berufungen eine Zusicherung darüber verlangt oder ertheilt worden wäre, ist mir nicht bekannt: nach der Aussage unseres Syndikus bedürfte es dieser auch nicht. Die Ausscheidung von Standesgehalt und Dienstgehalt ist 1848 so gestellt worden, daß bei einer Besoldung von 1800 florin der Standesgehalt 1200 florin beträgt: nach letzterm vormirt sich blos der Quiescenzgehalt, welcher im Standesgehalte allein, jedoch mit je zehnjähriger Steigerung desselben nach der Zahl der Dienstjahre, besteht.
Umzugsentschädigung habe ich 800 Gulden verlangt und erhalten und die Zollfreiheit der eingebrachten Sachen des Haushalts versteht sich von selbst: man braucht nur in Bamberg beim Empfang derselben sein Dekret vorzuzeigen.
Schlimm wird es mit dem historischen Theile unserer Universitätsbibliothek stehen, wenn ich nach eigenen Erfahrungen urtheilen darf. Für die klassische Geschichte werden unsere Philologen gesorgt haben, für manche Partien der deutschen, auch der neueren allgemeinen Geschichte Rudolf Raumer: Böttiger gewiß am schlechtesten. Du wirst große Lücken finden, es wird aber auch nur auf Dich ankommen, als Fakultätsmitglied Dir einen möglichst großen Antheil an der Fakultätsrate, welche nicht nach Disciplinen ausgeschieden, sondern gemeinsam verwendet wird, zu sichern: die Fakultät ist so zusammengesetzt, daß Dir die große Mehrzahl derselben nur Dank wissen wird, was Du zur Hebung eines Übelstandes thust. Ich würde mir aber ausbedingen, sofort in die Fakultät einzutreten: in den Senat trittst Du ohnehin ohne Förmlichkeit ein, da Du Senatsmitglied bereits gewesen, ja gar Magnificus.
Ich hoffe, Dir vollständig, nicht blos was Du gefragt hast, sondern auch, was Du überhaupt bedacht, geschrieben zu haben, und hoffe weiter, daß es dazu dienen wird, Deine Antwort auf unser Magnificenz Frage für uns erfreulich ausfallen zu lassen. Eine Übereilung Deiner Übersiedlung zu uns würde in keiner Weise verlangt oder auch nur erwartet werden: wenn der9 im Laufe des Sommer Semesters Deine Verbindung mit Meklenburg sich löst und die mit Bayern sich vollzieht. Und dazu gebe Gott seinen Segen! Deiner lieben Frau unsern herzlichen Gruß, einen Gruß der Bewillkommnung zuvor, wie wir hoffen, und auch, da sie doch gerne in ihre Heimath wiederkehren wird, unsern herzlichsten Glückwunsch! Schmid und Delitzsch erwidern Deinen Gruß aufs innigste. Ersterer hat mich so eben lange aufgehalten, daher ich eilends schließen muß, um den Brief noch zur Post zu bringen. In herzlicher Liebe