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Friederike Hegel, geb. Flottwell, an Karl Hegel, Berlin, 11. März 1855

Lieber Karl, um Euch nicht in Verlegenheit über den dritten Namen Eures Töchterlein’s zu laßen, melde ich nur heute ganz flüchtig, daß mein Vater Eduard Heinrich heißt.2

Hätte ich nicht bei mir ein kleines Lazareth gehabt, so wäre dieser Bescheid schon länger in Deinen Händen, aber Alles lag hier an der Grippe. Gottlob nur daran! Denn es giebt hier jetzt so schrecklich viel Krankheiten und traurige Fälle, daß Einem schon bang werden kann. Alle drei Kinder husten und schnupfen entsetzlich, und hatten auch Fieber einige Tage, jetzt scheint sich’s aber zu beßern, und ich habe daher auch den Glauben, daß es die Masern werden mußten (die hier fast in jedem Hause grassiren) wieder aufgegeben; dabei lag meine Köchin an der Gesichtsrose im Bett, und nun Lisbeth an heftiger Grippe etc., auch seit 2 Tagen im Bett – kurz es war keine brillante Woche, ich selbst muß dabei auch immer für unruhige Nächte am Tage büßen und darf auch noch nicht heraus gehen; unser lieber Papa blieb Gottlob gesund, und auch unser Mütterchen soll nicht besonders leidend sein, meint Maria, obgleich ihre Schwäche uns z. B. vergangene – nicht die letzte Woche, sehr bange machte, denn es war wirklich sichtbar, wie sie oft zum Erlöschen schwach war, und vom Husten dabei so sehr geplagt! Seit einigen Tagen ist es aber doch ein wenig besser, aber ich glaube Du würdest doch verwundert und betrübt sein, wenn Du sie jetzt mal wiedersähest, wie zusammengefallen und hinfällig sie ist! – wenn sie ihre Stube einmal auf und ab geht, ist der Athem fort, und über ihre Stube hinaus ist sie seit vielen Wochen nicht mehr gekommen; Böhm giebt zwar immer wieder Hoffnung, daß die beßre Jahreszeit sie noch mal beleben würde – aber oft haben wir geglaubt sie erlebt nicht mehr den Sommer! und bei diesem unangenehmen schnellen Witterungswechsel kann man auch noch gar nicht wissen, wie es wird! mir ist’s jetzt um jeden Tag so leid, den ich zubringen muß, ohne sie zu sehen, weil ich ihre liebe liebe Nähe noch immer so recht auskosten möchte! was weht Einem doch immer für ein Geist der Liebe in ihrer Gegenwart an! und ihre fromme treue Fürbitte, mit der sie uns Alle auf dem Herzen trägt, ist eine solche süße Gewißheit und Trost!

Wenn Du erst Susettchen mit voller Ruhe einige Tage verlassen kannst und Deine Geschäfte es erlauben, so erfreue die liebe Mutter doch ja durch einen Besuch, ich glaube sie verlangt recht danach! – Herzlich gefreut – ja stolz sind wir darüber – daß der liebe Karl wieder so einstimmig die Rectorswürde verliehen worden3; es muß Dir dies Zeichen der allgemeinen Anerkennung und Vertrauen doch auch von Herzen wohl thun! – und Deiner lieben Susi mit Dir! – Möchte es doch nun mit ihr wieder ganz gut gehen; ich erinnere mich übrigens auch bei Clärchen’s Geburt (die ja auch so überflügelt schnell von statten ging, und auch ein so sehr starkes Kind war) – solche Schmerzen im Bein lange Zeit gehabt zu haben, ich lag ja 17 Tage zu Bett, und fürchtete immer ich würde lahm sein, wenn ich erst aufstehen dürfte; dann verlor sich’s aber doch nach und nach; ob Ihr wohl die Taufe auf den 16ten (nicht 15ten!) festsetzen werdet? Den Tag drauf werdet Ihr auch viel bei uns sein mit Euren Gedanken und Wünschen! so wie ich meine Herzens Susette auch meine treusten Glück und Seegenswünsche für ihr und des kleinen Täuflings Wohl ausspreche. –

Gott walte ferner schützend und seegnend über Euer Haus und Euer Glück! –

Noch danke ich Dir aber sehr, mein lieber Karl, für Deine freundlichen Zeilen zum Geburtstag unseres Clärchens4, den wir in recht dankbarer Freude über das liebe Kind zubrachten, die – schwärmerisch geliebte Oma aus Potsdam und auch der Großpapa waren dazu hier, und Beide haben ihre große Freude an dem kleinen komischen Thierchen, die wirklich eine ganz eigenthümlich kleine Person ist, und ihre „stillen“ Verdienste hat, die aber seiner Zeit schon zum Vorschein kommen werden, – man muß nur nicht die Geduld und Glauben verlieren; von ihrer großen Fülle möchte ich gar zu gerne ihrem Cousinchen Luischen was abgeben, sie würde bei schlankerem Körper viel beweglicher und 5 sein! –

Marie und Willy grüßen ihr geliebtes Annchen sehr zärtlich, ich muß aus Eurem Brief jede Stelle, die irgend Bezug auf die Spielsachen hat, ihnen vorlesen, und sie möchten immer noch mehr von ihnen hören.

Meine liebe Susette küße und grüße ich tausendmal sammt ihren kleinen süßen Kindern, von denen sie uns selbst hoffentlich bald recht viel schreiben und erzählen wird! –

Von Manuel und der lieben Mutter herzliche Grüße, lebt wohl, von ganzem Herzen Eure Friederike