Du wirst es meinem grossen Geschäftsdrang, in dem ich mich seit ich hier bin befinde, zu Gute halten, wenn ich Dir nicht sogleich auf Deinen freundlichen Brief geantwortet habe, auch wollte ich vorher die persönliche Bekanntschaft Affingers gemacht haben, der mich als er Deinen Brief1 brachte, nicht zu Hause getroffen hatte.
Vorerst meinen herzlichen Glückwunsch zu Deiner Anstellung2, die Dir aus mehreren Rücksichten erfreulich seyn wird, da Du berufen worden bist, Deinen Wunsch erfüllt siehst und nun auch einen Fuß zu weiterm Fortschritt gewonnen hast. Ich wünsche Dir von Herzen, daß Dir die Verheltnisse und Zustände in Rostock zusagen mögen und Dein Wirken gesegnet sey.
Affingers Bekanntschaft hat mir viel Freude gemacht, eine wakere Künstlernatur, an der es recht ersichtlich ist, wie schnell geistiges Leben das Individuum wandelt und alle Gemeinheit abstreift. Ich habe ihn zu Sitzungen nach Kräften empfohlen und hoffe nicht ohne Erfolg. Er will diesen Winter noch hier bleiben, auf der hiesigen Kunstschule sich beschäftigen und nächstes Frühjahr nach München gehen, um vor der Hand dort zu bleiben. Ich billige seinen Plan vollkommen.
Deiner geliebten Mutter Übelbefinden hat uns großen Jammer gemacht, sowie auch das Deinige, wir wünschen recht bald erfreulichere Nachrichten zu erhalten und zu erfahren, daß Deine Mutter wieder ganz ihrem Beruf3, den Gott mit so reichen herrlichen Erfolgen segnet, zurückgegeben sey.
Wir befinden uns allesammt ganz wohl. Wir wohnen die Sommermonate in unsrem neuen Garten, zugleich mit Sigmunds4, wo wir uns in den Kindern an deren Theaterlust gar sehr erfreuen, im Winter wohnen wir in der Stadt und machen Schwarzens5 die dann von Henfenfeld herein kommen Platz, Sigmunds bleiben im Winter hier aussen.
Deine Theilnahme an meinen musikalischen Untersuchungen6 erfreut mich sehr. Ich arbeite zwar rüstig an der Vollendung des Hauptwerks, mit dem ich aber wohl erst in Jahresfrist werde fertig werden können. Meine Arbeit ist etwas unterbrochen worden, durch einen mir vom Oberkonsistorium ertheilten, nicht ganz leicht zu erledigenden Auftrag in bezug auf Verbesserung unsres Kirchen-gesangs. Deinen lieben Emanuel grüsse mir von Herzen, vor allem aber Deine liebe herrliche Mutter! Gott sey mit Euch Allen und gebe Euch recht glückliche gesegnete Tage. Dein
P. S. Meine Schwiegereltern schrieben mit viel freudigem Dank über die Bekanntschaft mit Eurer Mutter. Mein Frau grüßt bestens.