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Ernst Gladbach an Karl Hegel, Frankfurt am Main, 24. Februar 1838

Lieber Hegel!

Hier1 neben Gervin sitze ich und schreibe Ihnen mit vielen herzlichen Grüßen von seiner Seite sowohl wie von der Victoriens, einige gemüthliche Zeilen, die mein aufgeregtes Herze Ihrem ruhigen Wesen gegenüber stillen und beruhigen soll. Mit Ihrem Segen geleitet kam ich Dienstag2 Mittag in Leipzig an und ging sogleich zu Dahlmanns in der Hoffnung von ihnen näheres über Gervin zu erfahren. Da mir Dahlmann die Eile bestätigte, womit Gervin gesonnen sey abzureisen, und die nächtliche Kälte die ich im Postwagen ausgestanden, mich für meine Gesundheit besorgt machte, so eilte ich doppelt hierher zu kommen um zur freudigsten Ueberraschung Gervin, seine Frau, Hessemer und seine Familie zugleich zu umarmen. Gervin hat schon einen Brief3 an Sie fertig liegen, will aber denselben erst kurz vor seiner Abreise nach Lyon an Sie abschicken, um noch die letzten Nachrichten beizufügen. Zugleich bittet er Sie von Nürnberg aus, im August, direct durch die Schweiz über den St. Gotthard nach Mailand, Genua und von da zur See nach Neapel, wo Sie uns im September alle vereinigt finden werden, zu reisen. Dahlmanns logiren in der Stadt Hamburg, wohl sehr hübsch, aber in bezug auf Verpflegung nicht gut. Die arme Frau Professor ist schon längere Zeit bettlägerig und hat selbst einen gefährlichen Anfall vom Nerfenfieber gehabt. Ich sprach sie am Bette und obgleich Sie mir keine Grüße aufgetragen, so spendete ich deren doch und sie wünschte die bevorstehenden Freuden in Italien mit uns allen Theilen zu können. Ewald hat devinitiv einen Ruf nach Tübingen bekommen. Dahlmann giebt seine Verhältnisse in Leipzig auf und zieht mit seiner Frau ins Bad Kissingen. Die Ueberraschung welche ich meinen Freunden hier durch meine Erscheinung bereitete, können Sie sich wohl vorstellen, da man nur solide Streiche ?4 von mir gewohnt war. Gervin reist mit seiner Frau erst in 14 Tagen von Heidelberg ab, da er mit seinem Besoldungsprozeß noch aufgehalten wurde. Mir ward gleich die größte Eile zur Pflicht gemacht, weiterzureisen, da Herr Ritter in Mainz mein früherer Prinzipal und Gönner plötzlich am Nerfenfieber gestorben ist, und mir dadurch auch vorerst die Verbindung mit einem Jemand, den Sie errathen, abgeschnitten ist. Durch seinen Tod ist mir eine Kreisbaumeisterstelle eröffnet, durch Mollers Verwendung hoffe ich jedoch einen Stellvertreter bis zu meiner Zurückkunft zu erlangen. Ich ging gleich nach Darmstadt, erndtete von Moller wegen den vielen mitgebrachten Notizen das größte Lob und beabsichtige jetzt über Straßburg nach Lyon und Avignon zu gehen und dort den Gervin und Victorie zu erwarten. Dann reisen wir bis Genua zusammen, trennen uns, sie nach Neapel, ich nach Venedig von wo ich den Herbst nach Rom kommen und mich mit Ihnen allen, wenn es Gottes Wille ist, vereinigen werde. Der Tod Ritters hat mich fürchterlich in diesen Tage aufgeregt, ich hatte ihn recht lieb und fand auch in allen künftigen Lebensverhältnissen einen treuen Beschützer in ihm. Seine arme junge Frau und sein einziger sechsjähriger Sohn sind auch am Nervenfieber krank. Man fürchtet für Sie. Nur die herzliche Theilnahme meiner geliebten Freunde Gervin und Hessemer haben mich aus meinem Schmerz auf Augenblicke herausgerissen. Vorerst komme ich nach Mainz, nicht um die Kranke zu besuchen sondern deren Bruder meinen früheren Universitätsfreund um von diesem Näheres zu erfahren.

Hessemers und Mollers Briefe5 werden Sie erhalten haben, Hessemer schickte 200 florint 15 kreuzer die Abrechnung können wir in Italien machen, da Sie auch Porto ausgelegt haben. Die Briefe selbst nebst einem der noch in die Stadt Hamburg6 adressirt wurde, können Sie an Herrn Bau Direktor Moller nach Darmstadt schicken.

Meine Adresse ist während meines ganzen italienischen Aufenthalts an Herrn Professor Hessemer hier, welcher mir alle Briefe besorgt. Sie würden mich durch einige Zeilen, wie es Ihnen und den theuren Angehörigen geht, recht erfreuen, die von Ihrer Frau Mutter mir aufgetragenen Grüße an Madame Schenk7 konnte ich leider wegen meiner Eile nicht ausrichten. Wie gut war es, daß mich die Briefe nicht mehr in Berlin fanden, da sie das offizielle Verbot enthielten hierher zu kommen, aus Furcht das Ministerium möge mich anhalten, und gegen ein Verbot hätte ich nicht handeln dürfen. Nun ist Moller sehr vergnügt über meine neue Reiseroute, meines Vaters gefürchteter Zorn war nur in der Illusion Gervins, er nahm mich unendlich liebreich auf. Wie herzlich bin ich Ihnen daher verbunden daß Sie mich durch ihren Beistand zur rechten Stunde von Berlin frei gemacht haben. Die Hoffnung auf Dresden und Prag bleibt mir für später, es hat auch sein Gutes wenn man etwas Schönes seinen späteren Jahren aufbewahrt.

Hessemer und Frau, unbekannter Weise, und wiederholt Gervins grüßen innigst mit Ihrem

treuen Ernst Gladbach.