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Johann Georg Christian Kapp an Karl Hegel, Heidelberg, 21. November 1836

Verehrter Freund!

Ihr freundlicher Brief1 traf uns sehr spät, auf der Hardt, wo die tieferschütterte Gesundheit der Mutter jede irgend freie Minute in Anspruch nahm. Bis heute blieb er unbeantwortet. Aber das thut nichts: ich weiß doch, daß Sie erkennen, wie wir Ihrer in Liebe gedenken und wie sehr Ihre schönen, reichen Worte uns erfreuen mußten. Jetzt ergreife ich, eben wieder von einem Ausflug an den Rhein zurückgekehrt, die Feder, weil mich hier eine Nachricht traf, die Ihr Inneres, gleich dem meinigen, erfüllen wird. Daub wurde, mitten in seinem Berufe, auf dem Katheder, lebensgefährlich vom Schlage gerührt. – Vom 19ten November läßt sich dieser Nachricht noch etwas beifügen! Ohne Zuthat dringt sie mit metallner Stimme durch die Welt und wird mit bitterem Erfolge selbst diejenigen schlagen, die den Professor im Lande niemals recht erkannt haben. Jetzt schon, wo die Theilnahme nichts mehr trennt, hörte man Menschen klagen, die vorher anders sprachen.

Den 22. November 18362 Die Hoffnung, ihn zu retten, ist heute noch geringer, als gestern. Soll ich daran denken, was ich an ihm verliere, da Er Selbst, als Nestor der spekulativen Theologie, der Welt nicht verloren geht, da sein Todesschmerz nicht die Wissenschaft, nur den Einzelnen schlägt. Wohl habe ich Freunde; unter alten Zuhörer solche, die auch heute für mich durch das Feuer gehen würden; unter bejahrten Männern mehr, denen ich in gegenseitiger Achtung und Liebe nahe stehe, in verschiedenen Schulen der Wissenschaft und selbst im Leben vertraut bin: aber einen alten Freund mit solcher Kraft und solcher Liebe, wie Daub es einer war, suche ich, wenn ich ihn suchen sollte, wohl vergebens in der Welt. Ihm und Jean Paul stand ich unter Männern seines Alters am nächsten. Mit ihm stirbt mir eine ganze Sphäre des Lebens und nur die geistige Allmacht der Wissenschaft giebt der Erinnerung die Kraft ungetheilter, bleibender Gegenwart.

Den 22. November 1836 Abends. Daub ist gestorben. – Welche Erinnerungen wird diese Nachricht in Ihnen, in Ihrer verehrten Mutter wecken! Man fühlt sich älter werden bei diesem Worte und muß den Beruf erkennen, in der Wissenschaft durch Geisteskraft den Verlust ungeschehen zu machen. –

Unsere 3 Empfehlung Ihrer verehrten Mutter, die freundlichsten Worte Ihrem lieben Bruder, Grüße an Alle, die Sie von mir freundlich mögen. Vergessen Sie mir nicht, Herrn Dr. 4, Reinhold Schmidt, herzlich zu grüßen. Bis ich ihn hier im Prinz Carl wieder aufsuchte, war er einige Stunden vorher schon abgereist. Halten Sie Sich gesund!

Der Ihrige
Christian Kapp.

P. S. Auch Gabler bitte ich zu grüßen und besonders Marheineke, dem Sie diese Nachricht ohnedies gleich mittheilen werden.